„Das Leben kann nur in der Schau nach rückwärts verstanden, aber nur in der Schau nach vorwärts gelebt werden.“
(Soeren Kierkegaard, dänischer Philosoph)
Seit Jahrmillionen wird die Entwicklung sämtlichen Lebens auf diesen Planeten von dem Verhältnis Sauerstoff zu Kohlendioxid gesteuert. Diese Stoffe sind für den Gasaustausch in der menschlichen Lunge, über das sogenannte Kapillarnetz, zuständig. Der Sauerstoffvolumen-Anteil in der Atemluft liegt bei 20,9 Prozent, der Kohlendioxid-Anteil bei 0,038 Prozent. Zwei Systeme sind für das körperliche Gleichgewicht entscheidend: das Herz-Kreislauf-System und das Atmungssystem. Das erst genannte System transportiert die beiden Gase von der Lunge zu den Geweben (Sauerstoff) und umgekehrt von den Geweben zur Lunge (Kohlendioxid). Das Atmungssystem hingegen belädt das Blut mit Sauerstoff und atmet das CO2 aus. Beide Systeme sind untrennbar miteinander verbunden. Wenn ein System ausfällt, bricht das andere System kurz danach ebenfalls zusammen. Demzufolge sind diese Systeme sehr empfindlich und eine hohe Konzentration von CO2  kann den einzelnen Menschen gesundheitlich bedrohen bzw. töten und darüber hinaus auch die gesamte Biosphäre aus dem Gleichgewicht bringen. Dieser Sachverhalt findet im gegenwärtigen Diskurs zu wenig Beachtung, weil der Klimawandel in der breiten Öffentlichkeit nur mit den Wetterveränderungen in Verbindung gebracht und damit verharmlost wird. Biosphäre und Atmosphäre hängen aber unmittelbar und untrennbar zusammen, wie der folgende Blick in die Geschichte zeigen wird.
Eine kleine Reise in die Vergangenheit[1]
 Wir beginnen vor 3,8 Milliarden Jahren als der Planet unter einer drückenden Treibhausglocke lag. Zu dieser Zeit betrug der Kohlendioxidgehalt (CO2) circa 30 Prozent – eine astronomisch hohe Zahl. In dieser Ursuppe war kaum Leben möglich. Ãœber drei Milliarden Jahre bestand die Natur nur aus Bakterien, Einzellern und Algen, die zum Leben keinen Sauerstoff benötigten. Im Gegenteil – Sauerstoff hätte diese Lebewesen oxidieren lassen und somit zerstört. Das Präkambrium war deshalb ein trostloses Erdzeitalter, weil sich die Luftzusammensetzung nicht änderte – die Kohlendioxidkonzentration blieb hoch und der Sauerstoffanteil war sehr gering. Im Laufe der Zeit entwickelten sich die ersten Pflanzen. Diese Lebewesen beherrschten die Photosynthese und es wurde Kohlendioxid gebunden und Sauerstoff freigesetzt, somit sank der CO2-Spiegel. Innerhalb weniger Millionen Jahre kam es zu tiefgreifenden Veränderungen, denn die Sauerstoffkonzentration stieg auf zwei Prozent und die CO2-Konzentration ging zurück. Somit konnten viele Tier- und Pflanzenarten entstehen. Aufgrund des Verhältnisses – Sauerstoff zu Kohlendioxid – kam es in der Folgezeit mindestens zu fünf Entwicklungssprüngen. Es wurden schlagartig Tier- und Pflanzenarten vom Erdboden getilgt und neue Arten, die mit dem „neuen Verhältnissen“ besser umgehen konnten, entstanden. Arten mit geringer Sauerstoffverträglichkeit wurden immer wieder von der Natur ausgeschlossen.
Kohlendioxid wandert in die Erde
Vor 160 Millionen Jahren passierte dann etwas Merkwürdiges – die Natur hat angefangen, bestimmte Rohstoffe zu „produzieren“, beispielsweise Kohlenstoff in Form von Rohöl, dass wir jeden Tag verbrennen, zu CO2 umwandeln und somit wieder in die Atmosphäre verbringen. Der größte Teil des Rohöls wurde in zwei Phasen der globalen Erwärmung gebildet, vor 90 Millionen und 160 Millionen Jahren. Vor circa 160 Millionen Jahren wurde Sonnenenergie in Form von fossilen Brennstoffen in der Erde gelagert. Dies ist die konzentrierte Sonnenenergie der Urzeit, die im Laufe von Jahrmillionen in das Erdinnere »gewandert« ist und dort gespeichert wurde. Organische Kohlenstoff–Ketten können sich nur bilden, wenn es irgendwann auf der Erde eine intensive und konzentrierte Algenblüte gab. Die Voraussetzungen dafür gab es vor circa 160 Millionen Jahren. Es herrschte auf der Erde eine sehr hohe Temperatur an der Wasseroberfläche, somit konnte der kontinuierlich entstehende Algennachwuchs ernährt werden. Es musste aber noch eine zweite Voraussetzung eintreten. Das sogenannte Erdöl-Muttergestein muss vorhanden sein; also sehr feinkörnige Schlammablagerungen, die einen hohen Gehalt an organischer Materie aufweisen. In der Erdgeschichte lagerten sich, vor allem im heutigen Mittleren Osten, zeitlich dreimal dicke Planktonschichten ab. Einmal in der Zeit des Jura und zweimal in der späteren Kreidezeit. Begünstigt wurde die »Ölproduktion« der Natur dadurch, dass sowohl in der Zeit des Juras als auch in der Kreidezeit ein extremes Treibhausklima herrschte, zeitgleich erstickten die Meere. So entsteht aber noch kein Öl, denn die Kontinentaldrift und die Plattentektonik spielten eine entscheidende Rolle. Ãœber viele Millionen Jahre bewegte sich die Erde, Landmassen verschoben sich, entstanden irgendwo neu, prallten auch schon mal aufeinander, Ozeane verschwanden und bildeten sich neu. Ganze Erdplatten brachen auseinander, Afrika löste sich vor circa 130 Millionen Jahren von Südamerika ab und der Südatlantik entstand.
Bis in die heutige Zeit ist das Erdinnere ständig in Bewegung. Diese tektonischen Veränderungen waren sehr entscheidend für die Entstehung von Rohöl. Die somit gebildeten tektonischen Mulden waren über lange Zeit ruhige Auffangbecken für das organische Material. Dieses organische Material sank langsam ab. Häufig hört aber das Absinken, aufgrund lokaler tektonischer Bewegungen, einfach auf. Es bleibt für die Ölförderung unbrauchbares Muttergestein übrig, der sogenannte Ölschiefer. Mit dem Absinken des organischen Materials steigt die Temperatur unter der Erdoberfläche um circa 3 Grad Celsius pro 100 Meter (geothermischer Gradient). Das Material sinkt tiefer und tiefer und wird allmählich, aufgrund des Drucks und der Temperatur, gekocht. Das Ölfenster liegt ungefähr bei 2000 Meter, hier kann unter bestimmten Bedingungen aus dem organischen Material Öl entstehen.
Das sogenannte Ölfenster bestand aus drei Gesteinsschichten. Die erste Schicht war feinkörniges Gestein, das dem Kohlenstoff ausreichend Druck und Temperatur bot. Die zweite Schicht konnte das Öl aufnehmen und speichern, weil diese Gesteinsschicht mikroskopisch feine Poren besaß. Darüber lag die dritte Schicht, die aus undurchlässigem Gestein bestand und somit das Reservoir verschloss. Somit waren die „Produktionsbedingungen“ gegeben und die Erde konnte den größten „unterirdischen Wald“ komprimieren, der jemals in der Erdgeschichte vorhanden war. Fossile Speicher in diesem Umfang könnten kaum auf der begrenzten Erdoberfläche wachsen, die Erde wäre viel zu klein. Diese einzigartigen Bedingungen führten dazu, dass sich im Mittleren Osten in sehr großen Mengen qualitativ hochwertiges Rohöl befindet. Die Reserven werden bekanntlich von Tag zu Tag kleiner, kein Wunder, der täglich Verbrauch beträgt weltweit über 90 Millionen Barrel ( Ein Barrel entspricht ca. 159 Liter). In Tonnen ausgedrückt entspricht diese Menge in etwa dem Äquivalent von 55 Mrd. Tonnen CO2  pro Jahr, das durch das Verbrennen fossiler Stoffe entsteht. Aus einem IPCC-Bericht aus dem Jahre 2019 geht hervor, dass selbst bei konsequenter und nachhaltiger Wiederaufforstung der Wälder weniger als einer Mrd. Tonnen CO2 pro Jahr (pessimistische Schätzung) gebunden werden kann. Die Optimisten gehen von elf Mrd. Tonnen CO2 aus. Wie auch immer – dieses Missverhältnis verdeutlicht, dass die Dekarbonisierung der Industrieländer umgehend erfolgen muss.
Zurück in die Gegenwart
Die Natur hat viele Millionen Jahre benötigt, um Kohlenstoff in die Erde einzulagern; damit wurden die Voraussetzungen für menschliches Leben geschaffen. Dies war nur möglich, weil sich das Verhältnis Sauerstoff zu Kohlendioxid günstig auf die Entwicklung der Menschheit auswirkte. Seit ungefähr 800.000 Jahre lag die CO2-Konzentration zwischen 170 bis 270 ppm.[2] In diesen 800.000 Jahren gab es einige Kalt-, Eis- und Warmzeiten. Seit über 150 Jahren holen wir Kohlenstoff aus der Erde und verändern somit anthropogen das Verhältnis Sauerstoff zu Kohlendioxid. Die heutige CO2-Konzentration liegt bei unglaublichen 420 ppm und die Natur verändert sich somit grundlegend. Wir haben es uns sprachlich angewöhnt die erhöhte CO2-Konzentration als Klimawandel zu bezeichnen, damit beschreiben wir aber nur den eingängigen, leicht zu verstehenden, Teil der zu erwartenden Katastrophe. Natürlich wird der Klimawandel bewirken, dass der Meeresspiegel ansteigen wird und Dürrekatastrophen zu erwarten sind. Auch die Vegetationszonen verschieben sich, Tierarten sterben aus und die Gletscher schmelzen. Dies ist aber nur ein Teil der Wahrheit. Wir merken gerade in den heutigen, von Corona geplagten, Tagen, dass es noch schlimmer kommen könnte. Die Atmosphärenforscher warnen schon seit 30 Jahren davor, dass Kohlendioxid entscheidend in den Energie- und Baustoffwechsel aller Lebewesen eingreift, und dies birgt unkalkulierbare Risiken. Die Enzymenreaktion bei Pflanzen, Tieren, Menschen und Mikroorganismen hängt vom Kohlendioxidgehalt ab. Eine Steigerung des CO2-Anteils verändert die Bioreaktionen in den Zellen und gefährdet die Gleichgewichte aller atmenden Wesen, denn der Gasaustausch findet in den Lungenbläschen statt.
Die Mikroorganismen (Bakterien und Viren) haben in dieser Situation den größten Vorteil – sie können sich am schnellsten anpassen. Da Viren für einen Generationswechsel nur wenige Minuten oder Stunden bedürfen, werden sie sehr schnell den CO2-Anstieg durch Änderungen ihrer Erbanlagen (Mutation) assimilieren. In diesen evolutionären Krisenzeiten haben Viren eindeutig einen Wettbewerbsvorteil gegenüber allen Pflanzen, Tieren und Menschen. Neben den biologischen Gegebenheiten werden die Menschen in den hochindustrialisierten Ländern grundsätzlich mit den größten Anpassungsschwierigkeiten zu rechnen haben, weil sie unter anderem das Leben in und mit der Natur tendenziell verlernt haben. Die Wissenschaftler Dr. Beckmann / Dr. Klopries führten bereits im Jahre 1994 zum CO2-Anstieg aus, dass „eine kaum überschaubare Vielzahl neuer oder veränderter Krankheitserreger“ zu beobachten sei. Altbekannte Erregerstämme rüsten ebenfalls genetisch auf und der Biochemiker Hugo Hämmerle beobachtete bereits im Jahre 1996, dass „Aggressivität, Virulenz und Resistenz der Mikroben zunehmen.“
Ein durchgreifender Kohleausstieg ist erforderlich
Die CO2-Konzentration ist eindeutig anthropogen also können und müssen wir sie auch beeinflussen. Tiefgreifende Veränderungen sind erforderlich; ein Tempolimit und ein halbherziger Kohleausstieg werden es nicht richten. Wenn wir eine CO2-Konzentration von 500 ppm erreichen würden[3], hätten wir auf der Erde die gleichen klimatischen Bedingungen wie vor 60 Millionen Jahren[4], so die Auffassung von Dr. Beckmann und Dr. Klopries. Die Viren aus dieser Zeit möchte ich mir nicht vorstellen. Außerdem führen die oben genannten Wissenschaftler aus, dass „unsere „Reisegeschwindigkeit“ in die Vergangenheit […] jetzt schon atemberaubend [ist]: Jedes Jahr, in dem wir weiterhin die Atmosphäre mit CO2 um die heute messbare Menge anreichern, führt uns um 180.000 Jahre zurück.“
[1] Große Teile der nachfolgenden Ausführungen stammen aus meinem Buch „Die Vergötterung der Märkte“. Ich habe sie nicht explizit gekennzeichnet.
[2] Ppm-parts per million. Unstrittig ist, dass die CO2 -Konzentration im Jahre 1860 circa 293 ppm (parts per million; in einer Million Liter Luftgemisch befinden sich 293 Liter CO2) betrug, und seitdem, bedingt durch die Industrialisierung, kontinuierlich steigt.
[3] Es muss an dieser Stelle angemerkt werden, dass wir Menschen durchaus in Räumen leben können, die eine CO2-Konzentration von beispielsweise 1200 ppm aufweisen. Wenn aber die gesamte Pflanzen- und Menschen- und Tierwelt mit dieser Konzentration dauerhaft und flächendeckend leben müsste, würde sich die gesamte Bio- und Atmosphäre durchgreifend verändern.
[4] Das war das Zeitalter der Dinosaurier.