Die Macht der Influencer
In den letzten drei Blogs habe ich den Einkommensteuertarif gem. § 32 a EStG. dargestellt und entsprechend kritisch gewürdigt. Häufig habe ich den Bund der Steuerzahler (BdSt) zitiert. Wer verbirgt sich nun hinter diesem Bund?
Der Bund der Steuerzahler hat seinen Sitz in Berlin und ist ein eingetragener Verein (e.V.). Der im Jahre 1949 gegründete Verein hat den Zweck, dafür zu sorgen, dass die Steuern gesenkt werden. Außerdem steht der BdSt für den Abbau von Staatsschulden und er fordert eine sparsame Verwendung von Steuergeldern. Da der BdSt in der Verbändeliste des Deutschen Bundestages eingetragen ist, handelt es sich um einen Lobbyverband, der das Ziel verfolgt, die Fiskalpolitik der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des Neoliberalismus zu beeinflussen. Der BdSt repräsentiert keinesfalls den durchschnittlichen deutschen Steuerbürger sondern Unternehmen, Gewerbebetriebe und leitende Angestellte. Der BdSt vermittelt den Eindruck, dass er sich für die Rechte der Steuerzahler einsetzt und den Gesetzgeber dementsprechend kontrolliert.
Die Finanzkontrolle ist im Artikel 114 Grundgesetz geregelt und wird in Deutschland vom Bundesrechnungshof übernommen. Insofern ist der BdSt kein neutrales und offizielles Kontrollorgan sondern eine Lobbyorganisation die den sogenannten schlanken Staat fordert. Neoliberale Ökonomen sind ebenfalls der Auffassung, dass Steuersenkungen und Ausgabenkürzungen den schlanken Staat herbeiführen. Bloß wie soll man mit dieser widersprüchlichen Aussage umgehen? Ist es ökonomisch überhaupt möglich Einnahmen und gleichzeitig die Ausgaben zu senken ohne das Gemeinwohl zu gefährden? Oder soll der Staat abgeschafft werden?
Steuern müssen dem Gemeinwohl dienen
Die Steuerpolitik muss in den Dienst der Gesellschaft gestellt werden. Der Staat hat die Aufgabe, das Gemeinwohl und die allgemeine Wohlfahrt zu erhöhen. Um dieses herbeizuführen, ist der individuellen Reichtum zu begrenzen. Dabei spielt die Daseinsvorsorge eine große Rolle. Um diese Verpflichtungen zu erfüllen, benötigt er natürlich Steuermittel. Wenn diese Mittel gekürzt werden, können diese Aufgaben nicht mehr ausreichend wahrgenommen werden, mit der Konsequenz, dass sich die Daseinsvorsorge (Bildung, Gesundheits- und Sozialwesen, öffentlicher Nah- und Fernverkehr) verschlechtert.
Hannah Arendt hat diesen Sachverhalt in ihrem Buch vita activa so vortrefflich beschrieben. Glück und ein gutes Leben ist keine Privatangelegenheit sondern es geht immer um die gesellschaftliche Teilhabe und das gemeinsame Handeln unter Gleichen. Dafür sind öffentliche Räume notwendig, in denen man sich um die Gemeinschaft kümmern kann. Demokratie kann nur im gesellschaftlichen Miteinander funktionieren. Deshalb benötigen wir ein Steuersystem, das ein gemeinschaftliches gutes Leben ermöglicht und Steuererhöhungen nicht grundsätzlich verdammt. Die einzige und beste politisch verfasste Gesellschaftsordnung ist die Demokratie. Sie muss aber permanent gelernt werden. Dieses Lernen kann aber nicht individuell geschehen, sondern muss zwangsläufig in der Gemeinschaft vollzogen werden. Jeden Tag und immer wieder. Die vorherrschenden Prinzipien Egoismus, Konkurrenz, Wettbewerb und Eigennutz gehören auf den Prüfstand. Die Propagierung dieser Prinzipien macht Menschen egoistischer, andere Menschen werden zu Gegnern und “die Fremden” zu Feinden. In der heutigen Zeit verlieren viele Menschen scheinbar ihren politischen Verstand. Deshalb ist es besonders wichtig, dass man sich bis ins hohe Alter mit der Demokratie auseinandersetzen muss.[1] Demokratie fällt nicht vom Himmel, sie muss permanent erkämpft, gelernt und auch finanziert werden.
Die Kurzsichtigkeit der Neoliberalen
Neoliberale Ökonomen sind der Auffassung, dass die Steuerpolitik und die Standortpolitik identisch sind. Folglich müssen sämtliche Steuerarten als Standortfaktoren begriffen werden. Schließlich müssen wir unsere Steuerpolitik dem internationalen Wettbewerb anpassen. Ein internationaler Vergleich der Steuerquoten beweist, dass Deutschland hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit nichts zu befürchten hat. Außerdem hat der ruinöse Steuersenkungswettlauf dazu geführt, dass die Steuerbelastungen der hohen Einkommen deulich gesunken ist. Anstatt sich dafür stark zu machen die internationalen Standards (beispielsweise in der Ökologie, beim Klimawandel und in den sozialen Bereichen) zu stärken, setzt der Bund der Steuerzahler auf den internationalen Steuerwettbewerb, der nur dazu führen kann, dass die Gemeinwohlstandards international schlechter werden. Die Neoliberalen betrachten den Staat als wettbewerbsorientiertes Unternehmen. Der Staat möge sich dann auch so verhalten. Dies ist ökonomisch nicht korrekt. Jeder Berufsschüler lernt, dass es im Wirtschaftskreislauf verschiedene Sektoren gibt. Haushalte, Unternehmen, Staat, Vermögensveränderungen (Banken) und das Ausland sind in diesem Kreislauf integriert. Wenn neoliberale Ökonomen von der Wirtschaft reden, meinen sie aber ausschließlich die Unternehmen. Folglich müssen sich, nach Überzeugung der Neoliberalen, alle anderen Sektoren wie Unternehmen verhalten. Der Staatsfeind Nr.1, Milton Friedman[2], konnte sich ebenfalls nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass der Staat anders funktioniert als ein Betrieb. Deshalb war er ein Verfechter der uneingeschränkten Privatisierung der Staatsbetriebe. Im Gegensatz zum Unternehmen kann der Staat aber autonom über seine Einnahmen und Ausgaben entscheiden, mit Steuern steuern und somit auch die Voraussetzungen (z.B. Schulen, Krankenhäuser, Straßenbau) für zukünftige Unternehmensgewinne schaffen. Für neoliberal verblendete Ökonomen senken Steuern lediglich die kurzfristigen Renditen und deshalb sind Steuerzahlungen zu vermeiden.
Der Bund der Steuerzahler kümmert sich kaum um die Steuerhinterziehung, die den Mitgliedsstaaten der EU jedes Jahr circa 825 Milliarden Euro Einnahmen kostet. Damit ist der Mehrwertsteuerbetrug in Höhe von 150 Milliarden Euro nicht mit gerechnet. Dieser geschätzte „Fehlbetrag“ ergibt sich aus den viel diskutierten Cum-Ex- und Cum-Cum-Geschäften. Hier beteiligen sich vor allem reiche Steuerzahler der Bundesrepublik Deutschland an der Steuerverkürzung bzw. an der Steuerhinterziehung. Der ehemalige Finanzminister Nordrhein-Westfalens, Norbert Walter-Borjans, schätzt den Umfang der „Steuertricksereien“ auf mindestens 130 Milliarden Euro in Deutschland. Top-Verdiener und große Konzerne nutzen jede kleine Gesetzeslücke aus und entziehen sich somit der Verantwortung für die Gemeinschaft. Der Bund der Steuerzahler bagatellisiert solche Sachverhalt und stellt den Staat als einen alles verschlingenden Moloch dar, der das Geld verschleudert, nicht wirtschaften kann, Fehlinvestitionen tätigt, hohe Steuern fordert und die Bürger nicht entlastet. Schade das viele Bundesbürgerinnen und Bundesbürger auf diese Argumentation hereinfallen und so auch immer mehr zu Staatsfeinden werden. Zündelt der BdSt mit dem Feuer, wenn die sinnstiftenden Steuern immer wieder kritisiert werden? Wird dadurch langfristig unser Gemeinwohl beschädigt und unsere Demokratie gefährdet?
[1] Siehe Blog auf dieser Homepage: Politik, Demokratie und Digitalisierung
[2] Milton Friedman (1912 – 2006) war amerikanischer Ökonom. Er hob besonders die Vorteile eines freien Marktes und die Nachteile staatlicher Eingriffe hervor.