Die GroKo, das Klima, die Flüchtlinge und die Klimaflüchtlinge

04. März 2018

Zwei Themen beherrschten die politische Debatte der letzten Wochen und Monate. Zum einen tagte die Klimakonferenz vom 06.–11. November 2017 in Bonn. Überschattet wurde diese Tagung durch eine Meldung des UN-Umweltprogramms Unep vom 31.10.2017. Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt wurde beschrieben, dass sich die Erdtemperatur um mindestens drei Grad erhöhen wird, selbst wenn alle Länder ihre Klimaschutz-zusagen einhalten würden. Zum anderen bemühten sich die Parteien CDU/CSU, FDP und Grüne um eine Regierungskoalition. Diese Gespräche scheiterten und nun versucht die CDU/CSU mit der SPD eine Koalition zu schmieden. Bei allen Sondierungsgesprächen stand der Streitpunkt der Flüchtlingspolitik im Mittelpunkt.

Die ersten Sondierungsgespräche zwischen der CDU/CSU und der SPD ergaben, dass die Klimaziele für das Jahr 2020 aufgegeben wurden. Die Sondierer rückten mit einem einfachen Handstreich von den Zielen ab. Im Sondierungspapier wurde festgehalten, dass „die Handlungslücke zur Erreichung des Klimaziels 2020 so schnell wie möglich zu schließen“ sei. Diese Formulierung bedeutet faktisch eine Abkehr vom Klimaziel. Bislang war es das Ziel, die CO2-Emission bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 zu reduzieren. Es ist verwunderlich, dass bei den Sondierungsgesprächen diese beiden Themenkomplexe in unterschiedlichen Arbeitsgruppen getrennt voneinander diskutiert wurden; einerseits die Arbeitsgruppe „Flüchtlingspolitik“ und andererseits die Sondierungsgruppe „Energie/Klimaschutz/Umwelt“. Offensichtlich wollen oder können die Sondierer die Zusammenhänge nicht sehen. Eine Zunahme der Erderwärmung wird zwangsläufig die Flüchtlingsströme vergrößern. Es ist paradox. Während in der Flüchtlingsfrage Obergrenzen, vornehmlich von CSU-Politkern, gefordert werden, scheint niemand für die Obergrenzen in der Klimapolitik (2 Grad Ziel) verantwortlich zu sein. Woher kommt diese gefühlte Verantwortungslosigkeit?

Klima

Der Klimawandel wird von großen Teilen der Bevölkerung überhaupt nicht ernst genommen, weil der CO2-Austoss eine „saubere Emission“ ist. „Schmutzige Emissionen“, wie Wasserverschmutzungen oder stinkendes Schwefeldioxid in der Luft, werden sofort wahrgenommen und als unangenehm charakterisiert. Die entscheidende Verbindung zwischen dem Menschen und seiner Umwelt sind die menschlichen Sinne. Um zu erfahren, wie die Welt beziehungsweise die Umwelt um uns herum beschaffen ist, benötigen wir unsere menschlichen Sinne (Riechen, Sehen, Hören, Schmecken und Tasten). Um die CO2–Problematik erfassen zu können, reichen unsere Sinne aber nicht aus. Wir glauben häufig nur das, was wir auch sinnlich wahrnehmen können. Deshalb wird der Klimawandel von einigen Politikvertretern (vornehmlich in den USA) geleugnet. CO2 kann man weder riechen, sehen, hören, schmecken noch tasten. Der CO2–Ausstoß (circa 65 Millionen Tonnen pro Tag) ist eine sogenannte „saubere Emission“, wird kaum wahrgenommen und spielt im Leben der Menschen eigentlich keine Rolle. Außerdem sind die Natur und das Klima träge Systeme, die spät reagieren. Deshalb werden die Auswirkungen des Klimawandels wahrscheinlich erst in der Zukunft sichtbar, dann ist eine Umkehr aber nicht mehr möglich. Im Gegensatz zu anderen Katastrophen ist es nicht irgendwann vorbei und das Leben formiert sich neu. Die Kehrseite des trägen Klimawandels ist, dass das veränderte Klima mit allen Konsequenzen bleiben wird. Im Klimawandel sind Ursache und Wirkung nicht identisch, das hat zur Folge, dass keine Identität zwischen dem Verursacher und dem Träger der Konsequenzen besteht. Das führt zu dem Paradoxon, dass die Verursacher vermutlich den geringsten Schaden zu schultern haben, während die Opfer, die es nicht verursacht haben, mit den großen Schäden leben müssen. Beispielsweise sitzt der Verursacher an einem ganz anderen Ort der Erde als der Träger der Konsequenzen. Daraus erklärt sich die gefühlte Verantwortungslosigkeit vieler Menschen. Obergrenzen beim CO2-Ausstoß wurden von den GroKo-Unterhändlern mit einem Federstrich beseitigt. Sie scheinen belanglos zu sein und werden medial kaum wahrgenommen, während Obergrenzen in der Flüchtlingspolitik die Debatte dominieren.

Der Begriff „Klimakatastrophe“ ist semantisch nicht korrekt, da das Klima natürlich kein Subjekt ist und deshalb keine Katastrophen erleben kann. Weitläufig wird der Begriff „Klimawandel“ benutzt. Der Begriff ist semantisch zutreffender aber auch eine Verniedlichung dessen, was da auf uns zurollt. Wenn ein Mensch krank wird, sprechen wir von einer Krankheit und keineswegs vom Gesundheitswandel. Die Krankheit der Erde wird aber Klimawandel genannt. Der Ausdruck suggeriert, dass das Klimaproblem technisch beherrschbar ist. Auch wird im Zusammenhang mit dem Klimawandel häufig das Wetter angeführt. Das Wetter beschreibt aber nur die kurzfristigen aktuellen Zustände der Atmosphäre. Auch wenn es noch viele offene Fragen gibt, eine belastbare These der Klimaexperten ist verifiziert: Je höher die Wassertemperatur der Ozeane, je höher der Meeresspiegel, desto heftiger die Intensität der Winde und Niederschläge eines Hurrikans, desto gewaltiger seine Zerstörungskraft. Der Klimawandel kann natürlich keine Stürme produzieren, aber durch den Klimawandel werden die Auswirkungen der Stürme erheblich verstärkt. Dieser Wetterwandel ist jetzt schon bei uns angekommen und wird zukünftig erhebliche Schäden und volkswirtschaftliche Kosten nach sich ziehen. Die Kosten von extremen Wetterereignissen betrugen im Jahre 1960 weltweit „nur“ 9 Milliarden Dollar. Die amerikanische Regierung beziffert die Schäden des Hurrikans Katrina, der 2005 für eine verheerende Katastrophe gesorgt hat, auf 200 Milliarden Dollar. In den letzten drei Jahrzehnten sind die ökonomischen Schäden des Klimawandels um den Faktor 15 gestiegen. Die Versicherungsgesellschaft Münchner Rück erwartet eine weitere Vervielfachung der Kosten. Versicherungen sind bei steigender Eintrittswahrscheinlichkeit von sogenannten Naturkatastrophen immer weniger bereit, mögliche Schäden zu versichern.[1] Die Allgemeinheit wird dann diese Kosten zu tragen haben. Hierbei geht es aber nur darum, die ökonomischen Schäden der extremen Wetterereignisse zu reparieren. Eine Reparatur stellt den alten Zustand wieder her. Sie hat nichts mit den weiteren Konsequenzen eines Klimawandels, die kaum zu quantifizieren und zu prognostizieren sind, zu tun. Die ökologischen Folgen des Klimawandels lassen sich nicht reparieren, sie werden bleiben.

Flüchtlinge

Die oben beschriebene gefühlte Verantwortungslosigkeit ist auch in der Flüchtlingsfrage zu beobachten. Die Anzahl der Asylanträge ist in Deutschland im Jahr 2017 auf 222.683 Anträge gesunken. Im Jahr 2016 bezifferten sich die Anträge auf 745.545.[2] Flüchtlinge werden kaum noch wahrgenommen. Viele Bürger sind der Auffassung, dass das Problem gelöst ist. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Die EU hat für die Bekämpfung der Fluchtursachen keinesfalls zielführende Veränderungen vorgenommen. Die einzige Maßnahme, die ergriffen wurde, war die Unterbrechung der Migrations- und Fluchtrouten. Die Abschottungspolitik der EU-Mitgliedstaaten führte zu einer Zusammenarbeit mit Diktaturen und repressiven Regierungen. Die Länder Tschad, Sudan, Eritrea und Äthiopien wurden in die EU-Abschottungspolitik eingebunden. Auch die libysche Küstenwache schickt sehr häufig die überladenen Flüchtlingsboote zurück. Solch eine Abschottungspolitik ist nicht kompatibel mit der Genfer Flüchtlingskonvention. Dort heißt es im Artikel 33 Abs. 1: Kein Flüchtling darf in ein Gebiet abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit bedroht sind. Die Länder, die am meisten betroffen sind (zum Beispiel in Afrika), können kaum alleine mit den klimabedingten Problemen fertig werden. Es wird prognostiziert, dass in Afrika „im Jahr 2020 zwischen 75 und 250 Millionen Menschen kein ausreichendes Trinkwasser haben werden.“[3] Es kann nicht sein, dass die Menschen des Südens mit dieser Situation alleine gelassen werden, den Kontinent Afrika nicht verlassen können und die Freizügigkeit mit Hilfe der EU massiv unterdrückt wird.

Klimaflüchtlinge

 Seit dem der Hurrikan Katrina durch New Orleans gefegt ist, mussten viele Bewohner vor den Zerstörungen fliehen. Aufgrund dieser extremen Wetterereignisse hat sich ein neuer Begriff herausgebildet, der Klimaflüchtling. Der fortschreitende Klimawandel wird zwangsläufig immer mehr Klimaflüchtlinge hervorbringen. In erster Linie werden weltweit die Küstenanwohner und Inselbewohner betroffen sein. Dieses findet aber schon in der heutigen Zeit des Wetterwandels statt und wird durch den Klimawandel zukünftig noch verstärkt. Eine klimapolitische Gerechtigkeit muss zwingend hergestellt werden, weil die Industrieländer des Nordens in einem unvorstellbaren Maße die fossilen Schätze der Erde verbrauchen und den Klimawandel anheizen, während die Länder des Südens am stärksten von der Klimakatastrophe betroffen sind. Wenn von den großen Parteien medial verkündet wird, dass die Fluchtursachen bekämpft werden müssen, wird grundsätzlich kein Zusammenhang zum Klimawandel oder anderen ökologischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Problemen hergestellt. Es wird eher ein Zusammenhang hinsichtlich der Bekämpfung von kriminellen Schleppern beziehungsweise Schlepperorganisationen konstruiert, was natürlich keine Fluchtursache sein kann.

Es ist ein Trugschluss zu glauben, der Klimawandel betrifft nur die Küstenregionen. Auch wenn in diesen Regionen der Klimawandel den Meeresspiegel steigen lässt, sind genauso Länder betroffen, die kein Meer in der Nähe haben und geografisch hohe Berge vorzuweisen haben, beispielsweise die Schweiz. Wie der Direktor des Bundesamtes für Umwelt in Bern im August 2017 berichtete, ist die Durchschnittstemperatur seit Beginn der Messungen im Jahr 1864 um zwei Grad Celsius gestiegen. Wenn der weltweite Durchschnitt zugrunde gelegt wird, ist das doppelt so viel. Nach den Berichten des Deutschen Wetterdienstes beträgt dieser Wert in Deutschland 1,4 Grad Celsius. Die Umweltkatastrophen, beziehungsweise die menschengemachten Katastrophen, nehmen in der Schweiz rasant zu. Bergstürze treten immer häufiger auf. Durch die Temperaturerhöhung schmelzen die Alpengletscher, der Permafrostboden wird durch die Erwärmung instabiler und somit werden die Hitze- und Trockenperioden häufiger. Die Spirale dreht sich, die Katastrophen nehmen in der Schweiz zu und möglicherweise müssen wir zukünftig die Flüchtlingsfrage aus einer ganz anderen Perspektive diskutieren.

Die bevorstehende Große Koalition aus CDU/CSU und SPD hat sich vorerst von den deutschen Klimazielen verabschiedet. Somit wird das Kyoto-Protokoll aus dem Jahre 1990 nicht eingehalten.  Seit dieser Zeit ist die CO2–Emission um 40 Prozent gestiegen. Die im Protokoll geforderte Reduzierung ist nicht erkennbar, weil die Emission seit dem Jahre 2000 jährlich um jährlich 3 Prozent angestiegen ist. Wenn über sogenannte „große Linien“ in der Politik nachgedacht werden soll, müssen diese Themen zusammen betrachtet werden. Gänzlich unrealistisch ist die Annahme, alles könne so weiterlaufen wie bisher. Bei den GroKo–Verhandlungen wurde von der SPD immer wieder betont, dass es ein -Weiter so!- nicht geben darf. Dass die großen politischen Linien kaum diskutiert wurden verleitet zu der Annahme, dass es ein -Weiter so!- geben wird. Politiker und Parteien beschränken ihre Zielsetzungen und Strategien auf Machterwerb und -erhalt, demzufolge sind die Ziele häufig nur auf eine Legislaturperiode ausgerichtet. Das gesamte CO2-Problem ist langfristig und nachhaltig anzugehen, es richtet sich nicht nach Legislaturperioden.

[1] Vgl.  http://www.claudiakemfert.de/wp-content/uploads/2016/03/IP_Kemfert.pdf, aufgerufen am 15.12.2017

[2]https://de.statista.com/statistik/daten/studie/76095/umfrage/asylantraege-insgesamt-in-deutschland-seit-1995/, aufgerufen am 17.01.2017

[3] Harald Welzer, Klimakriege, Frankfurt am Main, 2008, S. 57

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