Die schöne Welt des Silicon-Valley

15. August 2024

»Der Kapitalismus ist immer räumlich expansiv und damit imperialistisch.« (Ulrich Brand / Markus Wissen)

Es gibt in der Welt der Silicon-Valley-Technokraten nur ein Vorwärts oder ein Rückwärts, nur ein Schwarz oder Weiß und nur eine Eins oder eine Null. Ökologische Probleme werden ausschließlich technisch gelöst, die Natur wird als eine nie versiegende »Ressource« begriffen und ethische Fragestellung werden einfach mathematisiert. Die Technokraten blenden in ihrer Gedankenwelt aus, dass Fortschritt eine fortschreitende Ausbeutung der natürlichen Ressourcen bedeutet.

Elon Musk und Co.

Auch wenn die technikhörigen Anhänger von Elon Musk und die politische Gefolgschaft von Donald Trump meinen, es sind ausreichend wertvolle Metalle und Ressourcen sogar auf Asteroiden zu finden, sollte man sich klar machen, dass diese Himmelskörper mit über 120.000 km pro Stunde durch das Weltall fliegen. Ja, Ja, die Erde fliegt auch, bloß mit einer moderaten Geschwindigkeit von 1.670 km pro Stunde. Der Bergbau auf der Erde ist schon ökonomisch und ökologisch problematisch; der Weltraumbergbau beflügelt nur die kolonialen Träume der Technoutopisten. Die Technokraten aus dem Silicon-Valley irren auch gewaltig, wenn sie meinen, dass die Information der Rohstoff der Zukunft sei. Der Umweltökonom Herman E. Daly meinte schon vor vielen Jahren dazu: »Es ist eine reine Einbildung, dass sich Rohstoffe durch Information ersetzen ließen. Wir können zwar weniger Fleisch konsumieren und dadurch die Umwelt entlasten – aber wir können keine Rezepte essen.« Je mehr man sich mit den Technokraten beschäftigt, desto mehr erkennt man, dass die Probleme, die sie lösen, relativ wenig mit den Problemen der Menschheit zu tun haben. Es ist deshalb irreführend, dass Technologien die alleinigen Antreiber der Entwicklung der Menschheit sind. Sie sind lediglich Antreiber eines »immer mehr, immer weiter und immer schneller« – Kapitalismus.

Die Erde ist kein ein Raumschiff, sie wurde weder von Ingenieuren gebaut noch von einem göttlichen Uhrmacher konzipiert. Sie ist keine Maschine und kann auch keinem »Re-engineering unterzogen werden«. (Bruno Latour) Die Erde hat aber eine sehr spannende Geschichte, mit der man sich beschäftigen sollte. Es macht auch wenig Sinn, »Astronauten über unfassbare Entfernungen hinweg von einem lebenden Planeten zu einigen toten Planeten zu verfrachten. Der Ort, wo gehandelt werden muss, ist hier und jetzt.«[1] Auch wenn die kindischen Geschäftsmänner im Silicon Valley anderes behaupten. Selbst eine Erde, die durch menschliche Aktivitäten in Schutt und Asche liegen würde, ist trotzdem lebensfreundlicher als der Mars, der sich 80 Millionen Kilometer von uns entfernt befindet. Nur zum Vergleich: der Mond ist nur 400.000 Kilometer von uns entfernt.

Artic Ice und Co.

Auch wenn die Ingenieure des Silicon-Valley anderes behaupten: Climate Engineering wird das Klimaproblem nicht lösen können, selbst wenn einige brauchbare Ansätze existieren. Meistens steckt aber ein Geschäftsmodell dahinter, um mit dem Deckmantel der Klimapolitik Profite zu generieren. Beispielsweise wollen die Gründer des Start-Up »Artic Ice« Eisblöcke, die sich von grönländischen Eisschild abgelöst haben, einfangen, aus dem Wasser ziehen und nach Saudi-Arabien verschiffen. Wozu das? Das reinste Eis der Welt, aus den unberührten Gletschern Grönlands, sollen die Drinks kühlen, die in den Wüstenstaaten der Welt konsumiert werden. Diese Geschäftsidee klingt verlockend und könnte ein großer Erfolg werden. Konsumenten von Luxusgütern wissen ohnehin nicht, wo sie ihr Geld lassen sollen. Ökologisch sind solche Geschäfte aber eine reine Katastrophe. Es entstehen beim gekühlten Transport über tausende von Kilometern hohe CO2-Emissionen. Das junge Unternehmen beabsichtigt dies zu kompensieren, indem sie CO2 aus der Luft saugen und unterirdisch einlagern will. An dieser Stelle zeigt sich, was passiert, wenn profitorientierte Unternehmen über Klimapolitik nachdenken. Es entstehen dann Probleme, die ohne dieses Unternehmen nicht entstanden wären.  Die Parallele zur weltweiten Klimapolitik ist signifikant. Die Firma »Artic Ice« wendet sehr viel Energie auf, um CO2 aus der Atmosphäre zu extrahieren, das dort nicht wäre, wenn diese Unternehmung ihr zweifelhaftes Geschäftsmodell unterlassen und die Reichen ihre Drinks mit normalem Eis trinken würden. Die Vokabeln Unterlassen und Verzichten kommen aber im expansiven Kapitalismus nicht vor. Stattdessen wird viel über Nachhaltigkeit und Klimaneutralität geredet. Da »Artic Ice« solche Begrifflichkeiten ebenfalls inflationär benutzt, muss das Narrativ von der sogenannten Klimaneutralität kritisch hinterfragt werden.

Die Mär der Klimaneutralität

Strenggenommen muss die Klimaneutralität dahin gehend interpretiert werden, dass es keine Prozesse und Tätigkeiten mehr gibt, die das Klima beeinflussen können. Der Begriff CO2-Neutralität besagt also in einem engen Sinn, dass kein CO2 emittiert wird oder die CO2-Emissionen vollständig kompensiert werden. Der Hacken dabei ist, dass eine Kompensation die Klimaziele kaum verwirklichen kann. Beispielsweise vermarkten viele Gasanbieter ihr Produkt als „Ökogas“. Es handelt sich aber um herkömmliches fossiles Erdgas. Durch die Verbrennung wird CO2 freigesetzt. Dieses Gas ist deshalb ein „klimaneutrales Ökogas“, weil damit Kompensationsprojekte gefördert werden. Auch hier liegen ein perfider Marketingtrick und massive Verbrauchertäuschung vor. Selbst wenn die Angaben der Erdgasanbieter stimmen sollten, kann von Klimaneutralität nicht die Rede sein. Die geförderten Waldprojekte haben in der Regel eine durchschnittliche Projektlaufzeit von 30 Jahren. Durch die Verbrennung des fossilen „Ökogases“ entsteht CO2, dass mindestens ein Jahrhundert in der Erdatmosphäre verbleibt. Um die versprochene Klimaneutralität annähernd zu garantieren, muss sich die Projektlaufzeit um ein Vielfaches erhöhen. Diese Garantie kann aber niemand abgeben, weil es immer schwieriger wird, Bäume vor Bränden oder Dürren zu schützen. Mit zunehmendem Klimawandel leiden die Bäume unter der Trockenheit. Ideale Bedingungen für den Borkenkäfer, um sich zu vermehren und den Waldbestand zu gefährden. Außerdem kann nicht gewährleistet werden, dass die Bäume, wenn sie dann so lange leben, mit dem Auslaufen der Projektlaufzeit gefällt werden, um Profite zu generieren. Spätestens dann wird das in den Bäumen gebundene CO2 wieder freigesetzt.


[1] Bruno Latour, Kampf um Gaia, Berlin, 2017, S. 142.

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