»Es ist, als wollten sie ein Auto bauen, das schnell genug fährt, um seinen eigenen Abgasen zu entkommen.« (Douglas Rishkoff)
Da wir in einer Überflussgesellschaft leben, dürfte der Verzicht, arme Menschen ausgeschlossen, eigentlich nicht schwerfallen. Der Überfluss ist aber nicht nur ökonomisch zu deuten, sondern er betrifft die gesamte Gesellschaft und die Natur. Er erschöpft somit den gesamten Planeten. Immer mehr Menschen wollen funktionieren, obwohl sie sich in der wachstumsorientierten Wettbewerbsgesellschaft erschöpft fühlen. In der Publikation Burnout befasste sich der Soziologe Sighard Neckel mit dem „gesellschaftlichen Leid der Erschöpfung“. Demnach werden Individuen zunehmend gezwungen, »nur noch in ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit zu investieren. Jeder Wettbewerb produziert zudem notwendigerweise Gewinner und Verlierer«[1]. Mit zunehmendem Wettbewerb erschöpft sich aber die Natur und somit der gesamte Planet.
Das Wachstum und die planetarischen Grenzen
»Die Akkumulation ist unendlich. Es ist die vielleicht kläglichste Unendlichkeit, in der Menschen sich je eingerichtet haben.« (Eva von Redecker)
Glücklicherweise findet in der Natur Wachstum statt. Es gibt nichts Schöneres als ein wachsender Wald und ein wachsendes Moorgebiet. Jeder Gärtner erfreut sich über wachsende Pflanzen und jeder Landwirt über eine auskömmliche Ernte. Eine wachsende Regeneration des Anbaubodens hilft bei der Bekämpfung des Klima- und Umweltschutzes.
Beim Abbauboden und der Naturausbeutung sieht es hingegen ganz anders aus, weil dieses Wachstum nicht mit dem Begriff der Mehrung gleichzusetzen ist. Eine Tonne Steinkohle bleibt eine Tonne Steinkohle, sie kann nur umgewandelt aber nicht vermehrt werden. Wenn menschliche Aktivität auf die Idee kommt, mit dieser Steinkohle Energie zu erzeugen, muss sie verbrannt werden. Dieser anthropogene Umwandlungsprozess verursacht dann drei Tonnen Kohlendioxid. Durch den Verbrennungsvorgang werden nun 2 Tonnen Sauerstoffe hinzugefügt und es entstehen drei Tonnen CO2. Aus der festen Steinkohle ist ein gasförmiger Zustand geworden, der eine Gewichtszunahme mit dem Faktor drei beinhaltet. Aus der sichtbaren Steinkohle ist ein unsichtbares Gas geworden. Ähnliche Wachstumsraten sind auch bei anderen fossilen Brennstoffen zu beobachten. Ein Liter Diesel wiegt circa 0,85 Kilogramm. Durch den Verbrennungsprozess im Automotor werden ungefähr 2,65 Kilogramm CO2 freigesetzt. Somit beträgt die Gewichtszunahme das 2,5 fache. Diese Mehrung ist auf menschliches Handeln zurückzuführen und findet bei der Beurteilung des Wirtschaftswachstums durch die Mainstreamökonomie kaum Berücksichtigung. Dieses Naturgesetz der Chemie lässt sich nicht ändern. Die Natur folgt lediglich den Gesetzen der Massen- und Energieerhaltung.
Um die Klimakatastrophe abzuwenden, müssen diese menschengemachten Beschleunigungsprozesse gebremst werden. Die Einhaltung der planetarischen Grenzen muss über kurzfristige Partikularinteressen gestellt werden. Bloß wie soll es funktionieren, wenn die renditewirksame Digitalisierung als Lösungsmöglichkeit diskutiert wird, obwohl sie die Welt massiv energetisch auflädt? Schon jetzt wird die Energie von 25 ausgewachsenen Atomkraftwerken benötigt, nur um das Internet weltweit zu betreiben, Tendenz steigend. Die smarte und scheinbar umweltfreundliche Digitalisierung ist keine Lösung, weil sie der Brandbeschleuniger für den Klimawandel ist. Grundsätzlich habe ich nichts gegen die Digitalisierung und die Künstliche Intelligenz einzuwenden. Zur Bekämpfung des Klimawandels werden digitale Lösungen nicht oder nur sehr bedingt hilfreich sein. Wie soll der technische Fortschritt als Verursacher des Wirtschaftswachstums und der permanenten Verwertung gleichzeitig die Lösung für dieses Problem sein? »Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind» (Albert Einstein). Die Verletzlichkeit und die Erschöpfung einer durchdigitalisierten Gesellschaft werden im öffentlichen Diskurs kaum erwähnt. Digitale Prozesse sind zu 100 Prozent abhängig von Infrastrukturen. Ohne stabile Stromversorgung und einem einwandfrei funktionierenden Datennetz sind digitale Prozesse nicht möglich. Das gilt auch für sämtliche Knotenpunkte (Serverfarmen, Rechenzentren), die ebenfalls beständig wachsen müssen. Der ehemalige Google-Manager Eric Schmidt erklärte im April 2025 im amerikanischen Kongress, dass sich der Energiebedarf der KI in den nächsten Jahren verdreifachen wird. Da die Kernenergie nicht schnell genug ans Netz gehen kann, werden vermehrt fossile Brennstoffe benötigt, so der Manager. »Dieser den Planeten vernichtende Verbrauch sei notwendig, um eine Intelligenz zu ermöglichen, die „höher“ ist als die Menschheit, einen digitalen Gott, der aus der Asche unserer aufgegebenen Welt aufsteigt.«[2]  Â
[1] https://zeithistorische-forschungen.de/sites/default/files/medien/material/2014-3/Neckel_2014_15.pdf, S. 123, aufgerufen am 15.10.2025
[2] Naomi Klein und Astra Taylor, Aufstieg des Endzeitfaschismus, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, Berlin, 6`25, Juni 2025, S. 57.