»Das Sichere ist nicht sicher. So wie es ist, bleibt es nicht.» (Bertold Brecht)
Die letzten beiden Blogs Gas-Ende und Verstaatlicht die Erdgasspeicher beschäftigten sich mit dem Thema Erdgas. Aufgrund des aktuellen Tagesgeschehens möchte ich an dieser Stelle Ergänzungen vornehmen.
Deutschlands Wirtschaftsminister Robert Habeck besucht im Alleingang die Länder Norwegen, Katar und Amerika, um Verträge über Gaslieferungen zu schließen. Viele Europäer kritisieren diese Vorgehensweise und werfen Deutschland mangelnde Solidarität vor. Ein Berliner Spitzenbeamter äußerte sich dazu und meinte, dass die Menge an verfügbarem Gas begrenzt sei und sie wachse nicht, wenn die Europäer gemeinsam handeln würden.[1] Diese Aussage ist in zweierlei Hinsicht bemerkenswert. Zum einen ist der deutschen Regierung ein gemeinsames Handeln mit der Europäischen Union ziemlich gleichgültig. Damit kommt ein weiterer Baustein für die mangelnde Solidarität Deutschlands hinzu. Zum anderen wird endlich mal zugegeben, dass das Gas in absehbarer Zukunft knapp werden könnte. Leider wird dieser Sachverhalt nur und ausschließlich im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg betrachtet. Wir müssen uns aber darauf einstellen, dass die Natur knauserig ist und die Ressourcenbasis schwindet. Deshalb ist ein fundamentaler Umbau der Wirtschaft erforderlich. Dies hätte man schon vor vielen Jahren machen müssen, es ist aber im „wirtschaftsfreundlichen“ Deutschland nicht geschehen. Na ja, Politiker denken eben nur bis zur nächsten Wahl. Möglicherweise ist es jetzt zu spät.
Als ich den Blog Verstaatlicht die Erdgasspeicher verfasst habe, bin ich davon ausgegangen, dass sich die deutsche Regierung für eine Enteignung der Erdgasspeicher stark macht. Dies war aber eine falsche Einschätzung. Um die Versorgungssicherheit zu erhöhen, will die Europäische Union die Bewirtschaftung von Erdgasspeichern vereinheitlichen. Die Mitgliedstaaten sollen verpflichtet werden, die Speicherfüllstände regelmäßig zu melden. Die Mindestfüllstände müssen dann zwingend eingehalten werden. Der angestrebte Füllstand für den 1.November 2022 soll mindestens 90 Prozent betragen. Außerdem soll ein Zertifizierungssystem die Versorgungssicherheit gewährleisten. Wenn die Zertifizierung verweigert wird, müssen die (privaten) Betreiber Auflagen erfüllen oder es findet eine Enteignung durch den Staat statt.
Die Bundesregierung sieht, wie soll es anders sein, diesen europäischen Entwurf kritisch. Die Ampelkoalition spricht sich zwar für verbindliche Füllstände aus, wehrt sich aber gegen ein Zertifizierungssystem und gegen eine Verstaatlichung der Speicher. Wie ich bereits dargestellt habe, sind viele deutsche Erdgasspeicher im Eigentum von Gazprom. Dies gilt vor allem für den größten westeuropäischen Speicher in Rehden, der von der Gazprom-Tochter Astora betrieben wird. Die EU ist auf dem richtigen Weg und Deutschland träumt noch immer von der Privatisierung, Deregulierung und von freien Märkten.
Es ist unerträglich, dass Länder wie Russland Zugriff auf unsere kritische Energieinfrastruktur haben. Wieviel Warnschüsse sind eigentlich noch nötig, damit sich der deutsche Staat um Daseinsvorsorge und Gemeinwohlökonomie kümmert? In den Anfängen der Corona-Krise wurde sowohl die Ökonomie als auch die Globalisierung kritisiert, weil die Versorgungssicherheit bei Masken, Arzneimittel, Krankenhausausstattung und Impfstoffen nicht garantiert werden konnte. Auch wurde über eine Re-Privatisierung von Krankenhäusern nachgedacht. Dies ist alles verpufft. Jetzt stolpern wir beim Erdgas mal wieder in die gleiche Falle, weil der ökonomische Imperativ, der nur das Schlagwort „Gewinnmaximierung“ kennt, die deutsche Politik beherrscht. Dies wird in diesen Tagen bei den Firmen Henkel, Metro und Ritter Sport sehr deutlich.
[1] Handelsblatt vom 24.03.2022, S. 3