Warum die Supereichen so gerne in Deutschland wohnen

16. Februar 2025

Da saßen sie wieder bei »Hart aber fair«, unsere wahlkämpfenden Politikerinnen und Politiker. Am 10.02.2025 waren es die kleineren Parteien, nämlich Christian Lindner (FDP), Dorothee Bär (CSU), Sahra Wagenknecht vom Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und Jan van Aken (Die Linke). Die Diskussion tröpfelte so vor sich hin und Christian Lindner und Dorothee Bär zeigten wieder einmal mehr, dass sie sich der Realität verweigern, weil sie glauben, dass es in Deutschland auch für ärmere Menschen scheinbar kein Problem ist, Eigentum zu erwerben. Man müsse nur hart arbeiten und von seinem mickrigen Lohn, der kaum zum Leben reicht, ausreichend Geld zurücklegen und sparen. Irgendwann war es Jan van Aken zuviel, und er konterte – gut so. Die Diskussion zwischen den Realitätsverweigerern, Lindner und Bär, und dem realistischen Jan van Aken nahm Fahrt auf und die Ungleichverteilung des Vermögens rückte in den Vordergrund. Leider wurde Jan van Aken aber von den restlichen Teilnehmern und dem Moderator abgewürgt. Das war sehr schade. Worum ging es?

Es ging mal wieder um das scheue Reh Kapital, dass permanent auf der Flucht ist. Man mag die Narrative nicht mehr hören. Die neoliberale Politik tut in der aktuellen Steuerdebatte alles, um die öffentliche Wahrnehmung zu vernebeln. In dieser Wahrnehmung wird Reichtum oft mit Unternehmertum gleichgesetzt. Es geht bei der Vermögensteuer weniger um Unternehmen und Arbeitsplätze, sondern um den privaten Reichtum, den ich in diesem Blog beleuchten möchte. In der Diskussion wurde immer wieder der hart arbeitende Deutsche und die Leistungsgesellschaft glorifiziert, dabei sind wir längst eine Erbengesellschaft geworden, die zunehmend vom leistungslosen Einkommen lebt. So genug politisiert und polemisiert – werden wir wieder sachlich und konkret.

Das deutsche Außensteuergesetz

Jan van Aken brachte bei „Hart aber fair“ den Begriff Wegzugsteuer in die Debatte. Diese Steuer wurde sofort kassiert, Herr van Aken wurde unterbrochen und die Wegzugsteuer kam in der Diskussion nicht mehr vor. Die Zuschauer wurden auch nicht aufgeklärt und ein sogenannter Faktencheck unterblieb. Zugegeben, der Begriff Wegzugsteuer ist nicht gut gewählt und er existiert im deutschen Steuerrecht nicht. Besser wäre die Formulierung der Wegzugsbesteuerung des § 6 AStG. (Außensteuergesetz), der die Besteuerung des Vermögenszuwachses regelt. Ich habe auf dieser Homepage schon häufiger über die Vorteile der amerikanischen Exit-Tax berichtet, die ebenfalls eine rigide Wegzugsbesteuerung vorsieht.

Bei vielen Menschen verfängt die Drohung, dass Vermögende Deutschland verlassen könnten, wenn sie steuerlich belastet werden. In Deutschland gibt es aber seit dem Jahr 1972 das Außensteuergesetz [2], um die Kapital- und Steuerflucht wirksam zu begegnen. Ich gehe davon aus, dass Jan van Aken dieses Gesetz meint, wenn er von Wegzugsteuer spricht. Das Grundprinzip dieses Gesetzes lautet: Bisher unversteuerte Wertzuwächse von Vermögen, die im Inland entstanden sind, können nicht steuerfrei ins Ausland verlagert werden.

Als Beispiel schlüpfe ich mal wieder in die Rolle des armen Reichen und vereinfache den Sachverhalt. Wichtig ist an dieser Stelle auch nicht eine exakte steuerliche Darstellung, sondern es geht um die Entkräftung des Arguments, dass Vermögende in Scharren das Land verlassen werden, wenn eine Vermögensteuer eingeführt wird. Wie ich im vorletzten Blog dargestellt habe, verfüge ich über ein fiktives Aktienvermögen in Höhe von 20 Millionen Euro in Form von Aktien der Siemens AG. Die erbschaft- und schenkungssteuerliche Relevanz habe ich bereits dargestellt und gleichzeitig die »Lügende«[1] (um ein Luther-Wort zu beanspruchen) der Doppelbesteuerung widerlegt.

Wenn ich nun mit meinem Aktienvermögen ins Ausland ziehen würde und Deutschland somit das Besteuerungsrecht verlöre, fällt bei meinem Wegzug Einkommensteuer (quasi auf mein Vermögen) an. Es wird von den deutschen Steuerbehörden ein fiktiver Verkauf dieser Unternehmensanteile angenommen. Dabei wird der jeweilige Marktwert zum Zeitpunkt des Wegzugs als Verkaufspreis unterstellt. Angenommen ich zöge heute (16.02.2025) ins Ausland, müsste der Verkaufspreis in Höhe von 225,00 Euro pro Siemens – Aktie zugrunde gelegt werden. Bei 100.000 Aktien wären das 22,5 Millionen Euro. Jetzt müssen nur noch die Anschaffungskosten abgezogen werden. Wie aus meinem fiktiven Beispiel hervorgeht, habe ich die Aktien im Jahr 1972 zum Wert von 5,37 DM, also 2,75 Euro, erhalten. Der Anschaffungswert beträgt somit 275.000 Euro und die Differenz zum aktuellen Marktwert beläuft sich auf knapp 20 Millionen Euro, dies entspricht dem fiktiven Marktwert, der zu versteuern ist. Nach dem Außensteuergesetz werden 60 Prozent des angenommenen Erlöses mit dem persönlichen Einkommensteuersatz versteuert. Von den 20 Millionen Euro unterliegen somit 12 Millionen Euro der Besteuerung. Der Steuersatz beträgt 47,5 Prozent (42 Prozent Einkommensteuer, 3 Prozent Reichensteuer und 2,5 Prozent Solidaritätszuschlag). Die zu entrichtende Einkommensteuer beträgt somit 5,7 Millionen Euro (12 Millionen x 47,5%).

 Wenn ich tatsächlich in dieser Situation wäre, würde ich schön in Deutschland bleiben, mich still verhalten und mich klammheimlich freuen, dass es, im Gegensatz zu anderen Ländern, keine Vermögensteuer und eine moderate Erbschaft- und Schenkungsteuer gibt, die man auch noch leicht umgehen kann (siehe Mathias Döpfner). Deutschland ist eben ein Steuerparadies für Reiche und Superreiche. Man mag darüber streiten, ob Unternehmen wegen der hohen Energie- und Lohnkosten Deutschland verlassen. Dies gehört in die politische Debatte. Es ist aber unerträglich, dass immer wieder angeführt wird, dass Vermögende im Falle einer Steuererhöhung, das Land verlassen werden. Ich kenne zwar keine superreichen Menschen, möchte sie aber davor warnen, diese paradiesischen Zustände aufzugeben. In einem Land, wo leistungsloses Einkommen ausschließlich bei Bürgergeldempfängern und nicht bei Vermögenden vermutet wird, lässt es sich doch als reiche Person sehr gut leben. Hinzu kommen paradiesische steuerrechtliche Verhältnisse für Immobilienbesitzer und Immobilienmilliardäre, während die Wohnungssituation selbst für Normalbürger immer prekärer wird. Darauf werde ich in einem späteren Blog eingehen.

Jan van Aken hat recht, wenn er sich nicht von den Reichen und erst recht nicht von Christian Lindner und Dorothee Bär einschüchtern lässt. Natürlich müssen toxisch Reiche stärker besteuert werden, die werden das Paradies schon nicht verlassen. In den USA sehen wir gegenwärtig was passiert, wenn Superreiche in Watte gepackt werden, immer mehr Privilegien genießen und anschließend die Macht übernehmen.


[1] Martin Luther prägte damit einen Begriff und eine Gattungsform, die dazu diente, die katholische Legende als lügenhaft zu diskreditieren. 

[2] Die Steuervermeidung ist ein legales Mittel und ist von der Steuerhinterziehung (nach § 370 Abgabenordnung ist sie ein Straftatbestand) abzugrenzen. Gleichwohl ist die Steuervermeidung aus fiskalischer Sicht unerwünscht, weshalb sie durch das AStG verhindert bzw. erschwert werden soll.

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