Die große Mogelpackung – Klimaneutralität

09. Oktober 2024

„In den vergangenen 80 Jahren ist die deutsche Wirtschaft real um das Zehnfache gewachsen. Selbst wenn von diesem gewaltigen Wohlstand nur die Hälfte übrig bliebe, wären wir immer noch so reich wie im Jahr 1978.“ (Ulrike Hermann)

 Wie schon mehrfach erwähnt, kann der Kapitalismus nur mit steigenden  Wachstumsraten überleben. Da die Warenflut und die Produktion also zwangsläufig steigen muss, werden in den reicheren Ländern der Erde zunehmend Treibhausgase ausgestoßen. Ein Bürger aus Mosambik in Afrika stößt im Durchschnitt 0,1 Tonnen CO2 im Jahr aus, während ein Deutscher 11,3 Tonnen CO2 im Jahr emittiert. Daraus folgt, dass die reichen Länder ihren Lebensstil fundamental ändern müssen, wenn die Klimaziele erreicht werden sollen. Dabei reicht es nicht aus, eine sogenannte Klimaneutralität anzustreben. Diese zweifelhafte Klimaneutralität ist mit dem gestrigen Tag ohnehin in weite Ferne gerückt, weil der deutsche Wald nicht mehr beim Klimaschutz hilft. Die Bundeswaldinventur kommt zu dem Ergebnis, dass der Wald selbst zu einer „Kohlenstoffquelle“ geworden ist. Der deutsche Wald gibt inzwischen mehr Kohlenstoff ab, als er aufnehmen kann. Schuld daran sind die klimabedingten Schädigungen des Waldes. Somit ist eine, ohnehin unrealistische, Klimaneutralität nicht zu erreichen. Selbst wenn eine Klimaneutralität gelänge, werden unsere Monokulturen, die Plastikverpackungen, die Wasserknappheit, die Umweltverschmutzungen und die Naturausbeute noch da sein. Der Materialverbrauch wird weiterhin explodieren und der Kapitalismus benötigt nach wie vor das Wirtschaftswachstum. An das Märchen vom nachhaltigen und grünen Wachstum kann man nicht glauben. Es ist ökonomisch kaum vermittelbar, dass man mit einem kräftigen Wirtschaftswachstum die Mittel generieren kann, die nötig sind, um die Dekarbonisierung zu schaffen. Notwendigerweise sollten die großen Verschmutzer und die fossile Industrie hoch besteuert werden, damit Gelder für die Bekämpfung des Klimawandels bereitgestellt werden können. Hinreichend sind solche Maßnahmen aber nicht. Steuertechnisch wäre es in etwa so, dass man die Raucher hoch besteuert, um damit Krankenhäuser zu finanzieren. Dies ist ökonomisch aber absolut unproduktiv, weil man ja gleichzeitig hoffen muss, dass immer mehr geraucht wird, damit die Gelder für die Krankenversorgung zunehmend sprudeln. Man muss kein Prophet sein, um zu erkennen, wohin solch ein Wachstum führt.

Die Mogelpackung

Produktion und Profite können nicht gesteigert und die Umwelt gleichzeitig geschützt werden. Deshalb ist die Klimaneutralität einer der größten Mogelpackungen. Viele Menschen in Europa glauben tatsächlich, dass sich die Klimakatastrophe mit Elektroautos aufhalten lässt. Die Elektromobilität ist zwar anzustreben und absolut notwendig, sie ist aber auch ein großes Konjunkturprogramm für die Autoindustrie, dass die Wirtschaft wachsen lässt. Selbst dieses Wachstum kommt in Deutschland nicht an, weil die deutschen Autobauer noch immer auf den Verbrenner setzen. Insofern partizipieren die chinesischen Autobauer, die obendrein noch stark subventioniert werden, vom Aufstieg der Elektromobilität.

Seit der Finanzkrise im Jahr 2007/2008 sind solche Subventionierungen der Autoindustrie auch in Deutschland unter dem Deckmantel der Umweltschonung bekannt. Damals gab es die »Abwrackprämie« in Höhe von 2.500,00 €. 1,75 Millionen Deutsche beteiligten sich daran. Es wurden alte Fahrzeuge, die teilweise noch gut in Schuss waren, auf den Schrott geschmissen. Damit das Wachstum nicht stockte, wurde also vorsätzlich Müll erzeugt. Die Abwrackprämie, die einen beträchtlichen Umweltfrevel darstellte, wurde natürlich als Umweltprämie bezeichnet. In der heutigen Zeit werden Begriffe wie Elektromobilität und Digitalisierung ebenfalls mit dem Begriff des nachhaltigen Umweltschutzes in Verbindung gebracht, obwohl sie nicht grundsätzlich umwelt- und klimaneutral sind. Beispielsweise benötigt ein herkömmliches Auto 35 Kilo seltener Rohstoffe (Lithium, Nickel, Kupfer, Kobalt, Graphit, Mangan und viele mehr), während ein Elektroauto die sechsfache Menge benötigt, nämlich 210 Kilo. Somit ist der Treibhausrucksack eines produzierten Elektroautos um ein Vielfaches höher als bei einem Verbrennerfahrzeug. Erst wenn das E-Auto die Fabrik verlässt, ist ein Elektroauto kleiner bis mittlerer Größe und moderater Fahrleistung die bessere Wahl, wenn man am Individualverkehr festhalten möchte. Dies wird aber erst bei einer Leistung von mindestens 80.000 Kilometer wirksam. Je nach Strommix und Batterie erreicht das Elektroauto dann eine günstigere CO2-Bilanz als ein vergleichbarer Verbrenner. Selten geht es in der Ökonomie aber um den Umweltschutz, sondern in erster Linie geht es um die Stabilisierung des Kapitalismus. Warum muss der Kapitalismus ständig wachsen, obwohl bekannt ist, dass damit permanent neue Umweltschäden entstehen?

Die Grenzen des Wachstums sind nur zu verstehen, wenn die Grenzen des Kapitalismus mitgedacht werden. Der Kapitalismus wurde durch den Einsatz fossiler Brennstoffe ermöglicht. Diese Brennstoffe sind nur dann ökonomisch wertvoll, wenn sie auch verbrannt werden und somit letztendlich auch CO2 erzeugen. Wir gestatten der hochsubventionierten fossilen Industrie, unsere gemeinsame Atmosphäre als Mülldeponie zu nutzen und ihren Dreck auf die normalen Menschen in der ganzen Welt abzuwälzen.

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