„Die prekäre Lage der Menschheit – der Mensch verursacht die Weltproblematik und ist zugleich das Opfer der Folgen.“
(Club of Rome)
Warum der Klimarechner -atmosfair- kritisch gesehen werden muss
 Der internationale Tourismus ist für satte 8 Prozent der weltweiten CO2–Emissionen verantwortlich. Deutschland trägt als Reiseland mit jährlich 329 Megatonnen zu dem Kohldioxid–Ausstoß bei. Nur die Länder China und die USA verursachen eine höhere Emission. Gerade Fluggesellschaften werben damit, dass sie einen geringeren CO2– Ausstoß pro Fluggast verzeichnen können. Dies ist sicherlich richtig, aber die Argumentation ist trotzdem fehlerhaft, da betriebswirtschaftliche und volkswirtschaftliche Logik auseinanderfallen. In der Ökonomie werden zunehmend betriebswirtschaftliche Aspekte auf volkswirtschaftliche Problemlagen übertragen und es ist unerträglich wie BWLér die Deutungshoheit über volkswirtschaftliche Sachverhalte übernehmen.
individualistische Aspekte Â
Je mehr Personen fliegen, desto geringer ist die CO2 – Emission pro Person. Dies ergibt sich aus dem Gesetz der Massenproduktion[1] Aus betriebswirtschaftlicher Sicht bewerten sich die Fluggesellschaften und ermitteln die geringsten CO2-Emissionen pro Passagier und Kilometer. Aus der volkswirtschaftlichen Betrachtungsweise sind diese relativen Zahlen aber vollkommen irreführend und verharmlosen die Problemlage. Volkswirtschaftlich sind die absoluten Zahlen relevant. Es zeugt von einem geringen ökologischen Sachverstand, wenn Schadstoffemissionen pro Kopf ausgewiesen werden. Klimarechner wie beispielsweise -atmosfair- beziehen sich nur auf einen einzigen Flug und kommen dann zu folgendem Ergebnis: Von Düsseldorf nach Rhodos (Griechenland), mit einem Airbus A340-500, mit Hin- und Rückflug, wird auf dieser Strecke einen Kohlendioxid Ausstoß pro Person von 1.091 Kilogramm verursacht. Natürlich nur, wenn das Flugzeug bis auf den letzten Platz ausgebucht ist. Diese Zahl mag viele Menschen beruhigen, weil sie diese Emissionen mit einem Mittelklassewagen vergleichen. Der PKW stößt bei einer Leistung von circa 6000 Kilometer (Düsseldorf – Rhodos, Hin- und Rückfahrt) in etwa genauso viel CO2 aus. Der Tourist wird dann zum Schluss kommen, dass es vollkommen egal ist, ob man tagelang mit dem Auto fährt oder das weitaus bequemere und schnellere Flugzeug nutzt. Dies ist nach betriebswirtschaftlicher Logik richtig.
Diese betriebswirtschaftliche Rechnung wird aber tendenziell fehlerhaft, wenn das Flugzeug nicht voll besetzt ist. Dies hat Stephan Gössling im Jahre 2017 analysiert, indem er die Flugbewegungen von Prominenten anhand ihrer Veröffentlichungen bei Facebook, Twitter und Instagram feststellen konnte. „Das gehört bei einigen inzwischen zur Pflege ihres Images. Sie stellen einen Lebensstil aus, der zeigt, dass sie superreich sind […].“[2] Vielflieger wie Bill Gates, Mark Zuckerberg, Jennifer Lopez, Paris Hilton, Oprah Winfrey sowie der Verstorbene Karl Lagerfeld haben keine Probleme damit, ihre Flugbewegungen zu publizieren. Im Gegenteil – sie sind vermutlich auch noch stolz darauf. Sie alle nutzen hauptsächlich ihre Privatflugzeuge. Diese Flugzeuge sind wahrscheinlich nicht so schwer wie der Airbus A340-500, dafür sitzen sie aber weitestgehend allein oder mit wenigen Personen im Flugzeug. „Bill Gates, der die Liste der Vielflieger anführt, war demnach im Jahr 2017 wenigstens 350 Stunden in der Luft, und weil er dafür vornehmlich ein Privatflugzeug nutzte, stieß er auf diese Weise mehr als 1600 Tonnen Kohlendioxid aus.“ [3] Wie gesagt, diese unvorstellbar hohe Emission wird nur durch eine einzige Person verursacht. Das bedeutet, je weniger Personen im Flugzeug sitzen, desto höher der CO2-Ausstoß pro Person.
gesamtwirtschaftliche AspekteÂ
Diese Sichtweisen sind zwar nach der betriebswirtschaftlichen Logik richtig, aber in der volkswirtschaftlichen Betrachtungsweise ist diese Argumentation schlichtweg falsch. Um die volkswirtschaftlichen Problemlagen zu lösen, ist immer der gesamte Flugverkehr und demzufolge auch die gesamte Emission zu betrachten, und die hat sich massiv erhöht. Wenn der Flugverkehr in den letzten vierzig Jahren um knapp vierhundert Prozent gestiegen ist, dann ist auch der CO2– Ausstoß um circa vierhundert Prozent gestiegen. Technische Neuerungen und Innovationen trugen möglicherweise dazu bei, dass die Steigerung nicht ganz so hoch ausfällt.
 Zweifelhaft ist die Beurteilung der Fliegerei, wenn individualökonomische und betriebswirtschaftliche Aspekte die Diskussion dominieren. Eine zielführende Einschätzung des Flugverkehrs hinsichtlich des Klimawandels kann nur im volkswirtschaftlichen Diskurs erfolgen. Für die Beurteilung ist auch der, von mir häufig genannte, Rebound-Effekt zu berücksichtigen.
[1] Das Gesetz der Massenproduktion besagt, dass mit zunehmender Ausbringungsmenge die Kosten sinken. Dies ist auf die Fixkostendegression zurückzuführen. Dieses Gesetz lässt sich auch auf den CO2 – Ausstoß anwenden.
[2] Maja Göpel, Unsere Welt Neu Denken, Berlin, 2020, S.157
[3] Maja Göpel, Unsere Welt Neu Denken, Berlin, 2020, S.157