Die Abschaffung des Bargelds

10. Dezember 2025

»Was ist die Enteignung einer Bank gegen die Enteignung durch die Bank?« (Robert Misik)

Das Bargeld wird schleichend und zunehmend durch digitale Zahlungen verdrängt. Die Geldautomaten sind rückläufig und eine Abschaffung von Ein – und Zwei – Cent Münzen wird immer wahrscheinlicher. Häufig werden die digitalen Zahlungen von den Verbraucherinnen und Verbraucher als bequem angesehen und eine kritische Auseinandersetzung findet immer seltener statt. Ich möchte an dieser Stelle nicht die Mainstreamargumente für oder gegen das Bargeld diskutieren, sondern auf zwei andere Aspekte hinweisen. Einerseits muss die Bargeldabschaffung vor dem Hintergrund einer Finanzkrise diskutiert und andererseits müssen auch Negativzinsen betrachtet werden. Zugegeben, aufgrund der derzeitigen Inflation sind Negativzinsen nicht zu erwarten und eine Finanzkrise ist kurzfristig nicht in Sicht. Auch wenn mit einer Bargeldabschaffung kurz- und mittelfristig nicht zu rechnen ist, hat sie aber einen endgültigen Charakter. Deshalb müssen die o.g. Aspekte Berücksichtigung in der Debatte finden. Schließlich ist die letzte Finanzkrise aus den Jahren 2008 und 2009 noch für viele Menschen präsent und die Zeiten der Deflation, gekoppelt mit den Negativzinsen, ist auch noch nicht in Vergessenheit geraten. Ab dem Jahr 2011 waren disinflationäre und deflationäre Tendenzen in der Eurozone zu beobachten.

Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, war bis zum 12.September 2019 geschäftsführende Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IWF). Frau Lagarde hat sich als IWF-Chefin schon mehrfach Gedanken über die Umsetzung von Negativzinsen gemacht. Sie hat schon damals ihre Sichtweise dargestellt und ihre Argumentation sieht in etwa so aus:

Ausgehend von einem negativen Einlagenzins der Notenbank von beispielsweise 5 Prozent soll auch das Bargeld um diesen Prozentsatz entwertet werden, da das Bargeld quasi eine Parallelwährung zum Buchgeld darstellt. In dieser Situation hat der Bürger keinen Vorteil mehr, sein Geld in bar von der Bank abzuheben, denn sowohl Bargeld als auch Buchgeld werden jeweils 5 Prozent ihres Wertes verlieren.

Mit dieser Idee wollte Frau Lagarde einen sogenannten bank-run verhindern, denn Negativzinsen führen dazu, dass die Inhaber von Sparkonten diese Zinsen umgehen möchten und ihr Geld deshalb von den Banken abziehen. Bei einer Abschaffung des Bargelds hätten die Bürgerin und der Bürger keine Möglichkeit mehr dem Negativzins auszuweichen und sie müssten zwangsweise den o.g. Wertverlust i.H.v. 5 Prozent ertragen. Diese fragwürdige »Innovation« lässt sich wesentlich leichter durchsetzen, wenn es kein Bargeld gibt.

Die Abschaffung des Bargelds

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat uns in den 1990er Jahren den Washingtoner Consensus eingebrockt und damit die neoliberale Wende ermöglicht. Unter der damaligen Leitung von Christine Lagarde hat der IWF mehrere Studien zur Abschaffung des Bargelds vorgelegt. In der letzten Studie (April 2019)[1], befasste sich der IWF mit Kosten-Nutzen-Überlegungen im Falle einer Bargeld-Abschaffung.

Eine Abschaffung des Bargelds wäre ein Anschlag auf die zivilisierte Welt. Bargeld steht für Freiheit, Autonomie und Demokratie. Es darf nicht dem Kalkül betriebswirtschaftlicher Analysen unterworfen werden. Wer rechtlich verbrieftes Bargeld besitzt, hat einen Anspruch auf einen Anteil des (erarbeiteten) Bruttoinlandsproduktes und kann frei und autonom darüber disponieren. Die Banken haben aber ein Interesse daran, das Bargeld abzuschaffen. Einerseits könnten die Banken und das gesamte Finanzsystem dann die Bürgerinnen und Bürger total überwachen und kontrollieren. Andererseits wäre es ein Totalangriff auf die Verfügungs- und Freiheitsrechte. Denn bei negativen Strafzinsen haben die Bürger nicht mehr die Möglichkeit, dass Geld in den Tresor oder unter das Kopfkissen zu legen und darüber zu verfügen. Ist das Geld erst abgeschafft, haben die Banken weitreichende Möglichkeiten in die Autonomie der Bürger einzugreifen. Sie könnten beispielsweise ein Konto, per Mausklick, mit Negativzinsen belegen. Ein Abheben des Geldes ist nicht mehr möglich, denn es gibt ja kein Geld mehr. Noch schlimmer wäre die Situation in einer Finanzkrise. Wenn eine Bank in die Pleite schliddert, ist es nicht mehr möglich sein eigenes Geld abzuheben. Das Geld auf dem Verbraucherkonto stellt eine Forderung (Soll-Buchung) gegenüber dem Finanzinstitut dar, während diese Geldsumme eine Verbindlichkeit (Haben-Buchung), also eine Schuld, für die Bank darstellt. Die Bank könnte diese Schulden nicht mit Bargeld, dass es dann ja nicht mehr gibt, begleichen. Dies wäre eine unzulässige Enteignung der Bürger. Nach den Vorstellungen des IWF sollen Banknoten Schritt-für Schritt aus dem täglichen Leben verbannt werden, also ist eine schrittweise Entmündigung der Bürgerinnen und Bürger zu befürchten.


[1] Neuere Studien der Deutschen Bundesbank beschäftigen sich kaum mit dem Zusammenhang zwischen Finanzkrise und Bargeld. Die Untersuchungen zeigen vielmehr, »wie sich die Anforderungen von Verbraucherinnen und Verbrauchern an ein Zahlungsmittel in der Zukunft in unterschiedlichem Maß ausdifferenzieren könnten« (Siehe Studie: Bargeld der Zukunft vom 17.01.2024). Die Sichtweise und das Verhalten der Verbraucherinnen und Verbraucher sollten bei den Überlegungen aber nur eine untergeordnete Rolle spielen. Der gesamtwirtschaftliche Blick muss geschärft und die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz darf in diesem Zusammenhang nicht unterschätzt werden.

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