Fast jedes Land der Welt hat in der Corona-Krise seine Grenzen entweder ganz geschlossen oder Einreisen zumindest enorm erschwert. Die Bundesregierung wird nun für die meisten EU-Staaten die Reiswarnung zum 15. Juni 2020 aufheben. Dann können – so es zu keiner negativen Infektionsentwicklung kommt – diese Staaten aus deutscher Sicht wieder ohne Warnung bereist werden. Die negativen Auswirkungen des Flugverkehrs habe ich in den Blogs vom 09.Mai 2020 und 14.Mai 2020 beschrieben. Es ist aber nur eine Frage der Zeit, dann werden auch die Kreuzfahrtschiffe wieder von der Leine gelassen.
Kreuzfahrten stinken
Die Luftverschmutzung ist bei Frachtern und Kreuzfahrtschiffen, wie im gesamten Mobilitätssektor, enorm hoch. Das liegt zum einen daran, dass diese Schiffe mit Schweröl betankt werden und zum anderen verfügen sie weder über Filter noch Katalysatoren. Dies trifft im Übrigen auch für die Binnenschifffahrt zu. Der CO2-Ausstoß aller Schiffe weltweit lag im Jahr 2012 bei 796 Millionen Tonnen. Das bedeutet, dass 4 Prozent der CO2-Emission durch die Schifffahrt verursacht werden. Bei der Rußpartikelbelastung sieht es wesentlicher schlimmer aus: 15 bis 20 Prozent der weltweiten Rußpartikelbelastung gehen auf das Konto der Schifffahrt, mit steigender Tendenz, weil die Handels- und Tourismuszahlen tendenziell zunehmen, auch wenn dies gegenwärtig durch die Corona-Krise stagniert. Beim Verbrennen von Schweröl entstehen noch zusätzlich Schwefeldioxide (circa 15 Millionen Tonnen pro Jahr) und Stickoxide (circa 20 Millionen Tonnen pro Jahr). Das Schweröl der Frachter und Kreuzfahrtschiffe darf einen Schwefelgehalt von 3,5 Prozent aufweisen. Für Autos darf der Treibstoff den Wert von 0,001 Prozent Schwefelgehalt nicht übersteigen. Dass die Schifffahrt aus dem Kyoto-Protokoll (Reduzierung der Erderwärmung) ausgenommen wurde, zeigt, dass diese Branche einen enormen Einfluss hat und dass die Reeder und Schifffahrtsunternehmen nicht bereit sind, über alternative Antriebstechniken nachzudenken. Klimafreundliche Investitionen werden in dieser Branche kaum thematisiert – sie würden auch die kurzfristigen Gewinne schmälern. Da die Tourismusbranche, wie keine andere, von der Corona-Krise stark getroffen wurde, wird vermutlich eine Diskussion über die Umweltverträglichkeit der Kreuzfahrtschiffe unterbleiben.
Die US-Regierung kündigte bereits im März 2020 an, die Umweltauflagen für bestimmte Industriezweige außer Kraft zu setzen. Das bedeutet, dass während der Corona-Krise ein umweltschädliches Verhalten nicht bestraft wird. Diese Diskussion ist mittlerweile auch in Deutschland angekommen. Dreist fordern einige Branchen, lange beschlossene Umweltauflagen wieder rückgängig zu machen. Neben CO2 – Grenzwerte für Autos, Verbote für giftige Chemikalien und Ökodesignregeln für Elektroprodukte werden auch die Verbote von Einwegplastik diskutiert. In diesem Zusammenhang verhält sich der Dachverband europäischer Kunststoffverarbeitung (EuPC) besonders unverschämt. Er fordert die EU-Kommission auf, die Fristen der EU-Einwegplastik-Richtlinie um mindestens ein Jahr zu verschieben. Dies ist insofern besonders dreist, weil kein Zusammenhang zwischen Plastik-Wattestäbchen und Corona-Krise hergestellt werden kann. Eine Korrelation zwischen Kreuzfahrtschiffen und Plastikmüll ist aber festzustellen.
Plastikmüll
Die Kreuzfahrtschiffe sind für Berge von Plastikmüll in den Ozeanen verantwortlich. Plastik wird aus Öl hergestellt. Öl ist Fluch und Segen zugleich. Unser Segen sind die Erdölderivate, die uns praktische Güter und Verpackungen bescheren. Der Fluch der Erdölderivate besteht darin, dass wir mit dem Plastik unter anderem die Ozeane vermüllen. Die Herstellung von Plastikprodukten ist im Vergleich zu den 1980er Jahren um 900 Prozent gestiegen, daran wird zukünftig auch kein Verbot von Plastiktrinkhalmen etwas ändern. Diese Produkte werden weltweit selten vernünftig entsorgt, sondern gelangen durch Flüsse, Überschwemmungen und sogenannte Ozeanriesen, ins offene Meer. »Insgesamt wird der jährlich in die Weltmeere gelangende Müll auf zehn Millionen Tonnen geschätzt – das entspricht durchschnittlich einer LKW-Ladung pro Minute.«[1] Plastik ist sehr langlebig und es braucht circa 400 Jahre, um zu verrotten. Die Auswirkungen dieses Mülls sind für das Ökosystem der offenen Meere immens. Problematischer als der offensichtliche Plastikmüll ist das Mikroplastik, das sich nicht nur allmählich in unsere Nahrungskette einschleicht, sondern auch in Wimperntusche, Sonnencremes und Duschgel enthalten ist. Wenn Mikroplastik über Abwasser und auch Regenwasser im Meer angekommen ist, kann es nicht mehr entfernt werden. In verschiedenen Tageszeitungen konnte man im März 2018 lesen, dass sich Mikroplastik in allen west- und süddeutschen Flüssen befindet. Die Umweltämter aus fünf verschiedenen Bundesländern zogen 52 Proben aus 25 Flüssen. In allen Proben war Mikroplastik nachweisbar. Demnach befinden sich die kleinen Fragmente aus Kunststoff nicht nur in den Weltmeeren, sondern auch direkt vor unserer Haustür und schleichen sich in unsere Nahrungskette ein. Auch wurde Mikroplastik bereits im Menschenblut nachgewiesen.
[1] Nadja Ziebarth, Ein Meer aus Plastik: Die Vermüllung unserer Ozeane, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, Berlin, 2017, S. 72