„Reichtum liebt es, anonym zu bleiben.“ (Michael Hartmann, Darmstädter Elitenforscher)
Der französische Ökonomieprofessor Thomas Piketty hat es auf den Punkt gebracht. Seine Grundthese lautet in etwa: Solange Einkommen aus Vermögen schneller wächst als Einkommen aus Arbeit, muss die Ungleichheit zwangsläufig zunehmen. Außerdem ruinieren die reichen Verschmutzungseliten das Klima überproportional, denn der Klimawandel hängt unmittelbar mit der Verteilung des individuellen Reichtums zusammen. Nun müssen die finanziellen Potentiale ausgelotet werden, die sich durch die Besteuerung der Reichen und Superreichen ergeben könnten.
Deutschland erhebt mittlerweile nur noch eine verbleibende Reichensteuer[1] – die Erbschaft- und Schenkungsteuer. Ansonsten wurden die Reichen durch alle anderen Steuerarten in den letzten drei Jahrzehnten sukzessive entlastet und die Vermögensteuer kam bis zum heutigen Tag nicht mehr zur Anwendung. Die Diskussion um die Vermögensteuer nimmt zum Teil skurrile Züge an. Parteien, wie beispielsweise die CDU und die FDP, lehnen die Vermögensteuer ab, obwohl sie seit Jahrzehnten im Artikel 106 Abs. 2 des Grundgesetzes steht. Sie wird aber seit dem 1. Januar 1997 nicht mehr erhoben, weil die damalige Koalition aus CDU, CSU und FDP dies veranlasst hat. Es wird von Politikern dieser Parteien gerne behauptet, dass das Bundesverfassungsgericht die Vermögensteuer in einem Beschluss vom 22. Juni 1995 als verfassungswidrig eingestuft hat. Wie soll etwas verfassungswidrig sein, was in der Verfassung steht? Selbstverständlich ist die Vermögensteuer als Landessteuer kompatibel mit dem Grundgesetz, alles andere wäre geradezu absurd. Die Verfassungsrichter haben damals zu Recht beanstandet, dass die Einheitsbewertung des Grundbesitzes als Bemessungsgrundlage für die Vermögensteuer überarbeitet werden muss. Die Einheitswerte für Grundstücke wurden seit 1964 beziehungsweise 1935 nicht mehr zielgerichtet fortentwickelt. Die Nachbesserung sollte nach Auffassung der Karlsruher Richter bis zum 31.Dezember 1996 erfolgen. Diese Frist wurde bewusst von CDU und FDP nicht eingehalten, um die reiche Bevölkerung zu schonen. Heute wird teilweise so getan, als wenn die Vermögensteuer verfassungswidrig sei. Dabei ist es kein Problem, diese Steuer wieder zu aktivieren, zumal die vom Bundesverfassungsgericht beklagte Einheitsbewertung durch die Ampelregierung reformiert wurde. Das existierende Vermögensteuergesetz könnte also schnell wieder zur Anwendung kommen. Es müssten lediglich die DM-Beträge auf Euro umgestellt, die Steuersätze verändert und die Freibeträge großzügig angepasst werden.
Die Erbschaftsteuer
In Deutschland werden jährlich bis zu 400 Milliarden Euro vererbt oder verschenkt, wobei Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer identisch ist. Die Bundesregierung schließt eine Reform des Erbrechts kategorisch aus. Der Artikel 14 des Grundgesetzes besagt, »das Eigentum und das Erbrecht gewährleistet werden«. Dies ist zwar zivilrechtlich gut geregelt, trotzdem trägt das deutsche Erbrecht feudalistische Züge und man gewinnt den Eindruck, dass es vor allem den reichen Bürgern dient, um Eigentum und Macht an die nächste Generation weiterzugeben. Das Erbrecht ist nicht abzuschaffen, es muss aber gründlich reformiert werden. Vor allem das Erbschaftsteuergesetz muss Teil eines politischen Aushandelsprozesses werden, denn die Erbsummen werden immer größer und sie sind ungleich verteilt. Die Mehrheit der deutschen Gesellschaft erbt häufig nichts oder nur sehr wenig. Die Reichen hingegen können ihr Vermögen von Generation zu Generation zunehmend vergrößern. »In den USA oder in Großbritannien sind rund zwei Drittel der Superreichen durch das eigene Handeln vermögend geworden. In Deutschland dagegen haben 67 Prozent zumindest einen Teil ihres Vermögens geerbt.«[2] Da gerade hier in diesem Land so viel über die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Steuerpolitik debattiert wird, könnte die Mitbewerberin, die USA, an bestimmten Stellen als Reformvorlage dienen.
Solch eine Reform könnte beispielsweise nach dem Modell der amerikanischen Steuerstaatsbürgerschaft entwickelt werden. Jeder, der einen amerikanischen Pass hat, zahlt auch in Amerika Steuern. Natürlich kann jeder amerikanische Bürger auch seinen Pass abgeben, auf die Staatsbürgerschaft verzichten und ins Ausland abwandern. Dann wird aber eine sogenannte Exit-Tax fällig. Diese Ausstiegssteuer beträgt gegenwärtig knapp über 20 Prozent des Vermögens. Damit wird das Abwandern von Steuereinkommen sanktioniert. Merkwürdigerweise akzeptieren auch die reichen Amerikaner die Konstruktion des Steuerstaatsbürgers. Trotzdem ist es auch in Amerika, wie fast in jedem Land der Erde, möglich, die Steuern zu umgehen.[3] Dies sollte aber nicht davor abschrecken, in Deutschland über eine Einführung einer Exit -Tax nachzudenken, auch wenn die einflussreiche Lobbyorganisation Bund der Steuerzahler die Alarmglocken schlägt. Wie ein Kaninchen vor der Schlange haben deutsche Politiker Angst vor der Abwanderung der Superreichen. Das Kaninchen muss mit seinem Schicksal leben, Politik hingegen ist das exakte Gegenteil von Schicksal. Eine gestaltende Politik kann somit sehr einfach eine Exit – Tax einführen.
»Die ökonomisch Starken, sind die sozial Schwachen.» (Hagen Rether, Kabarettist)
Wo beginnt nun Reichtum? Bei der Besteuerung von Vermögen und Erbschaften könnten man sehr großzügig verfahren. Es geht im Prinzip auch nicht darum, den einfachen Millionär oder den Mehrfachmillionär zusätzlich zu besteuern. Es geht um große zweitstellige Millionenbeträge. Im Gegensatz zur Armut, gibt es beim Reichtum keine offizielle Definition. Arme Menschen werden häufig als sozial schwach bezeichnet. Dies stimmt natürlich nicht. Arme Menschen sind vielleicht ökonomisch schwach. Gerade reiche Menschen sind viel häufiger sozial schwach, weil sie oftmals ihre Geschäfte ohne Rücksicht auf andere Menschen betreiben.
Weil es viele Datenquellen gibt, ist es der Forschung und der Politik möglich, Armut zu quantifizieren und Bürgergeldempfänger absolut zu kontrollieren, zu sanktionieren und häufig auch zu schikanieren. Über die Reichen im Lande weiß man hingegen wenig, weil sie ihr Vermögen gut verstecken können. Der jährliche Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung ist Beleg dafür. Verlässliche Statistiken über den tatsächlichen Reichtum in der Bundesrepublik Deutschland sind nicht zu bekommen, deshalb muss man sich auf Schätzungen verlassen. Außerdem nimmt kein reicher Mensch, und erst recht kein Superreicher, an Haushaltsbefragungen teil. Die Reichen haben logischerweise ein Interesse daran, solche Statistiken zu verhindern, um Verteilungs- und Gerechtigkeitsdiskussionen nicht führen zu müssen. Die bundesweite Einführung der Vermögensteuer könnte diesen Mangel heilen. Und das wäre auch das mindeste, was man in einem zivilisierten Land erwarten darf – die schonungslose Präsentation des Vermögens in einer entsprechenden jährlichen Steuererklärung. Das Finanzamt könnte dann diese geheimen Daten für statistische Zwecke nutzen und darüber hinaus eine zielführende Besteuerung vornehmen.
[1] Umgangssprachlich wird die im § 32b Abs.1 Nr.5 EStG genannte Formel häufig auch als Rechensteuer bezeichnet.
[2] Yannik Haan, Für mehr Gleichheit: Erben für alle!, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 01`24, Berlin, 2024, S. 116.
[3] Es konnte der Nachweis erbracht werden, dass der Präsident der USA, Donald Trump, über Jahrzehnte hinweg keine, oder nur eine viel zu geringe, Einkommensteuer gezahlt hat.