Hyper, Hyper

09. Juli 2022

»Das Sichere ist nicht sicher. So wie es ist, bleibt es nicht.» (Bertold Brecht)

In den berufsbildenden Wirtschaftsfächern spielt das Magische Viereck eine zentrale Rolle. Abgeleitet aus dem Stabilitätsgesetz von 1969 werden vier Ziele formuliert: 1. Stabilität des Preisniveaus, 2. Hoher Beschäftigungsstand, 3. Außenwirtschaftliches Gleichgewicht und 4. das angemessene und stetige Wirtschaftswachstum. Da in einer Ökonomie nicht alle Ziele gleichzeitig erreicht werden können, entstehen Zielkonflikte, die durch das Magische Viereck symbolisiert werden. Nun macht uns das erste Ziel große Sorgen: die Stabilität des Preisniveaus.

Die Voraussetzung unseres Wirtschaftssystems ist die Etablierung anerkannte Währungen. Zahlungen und Zahlungsversprechen bestimmen das ökonomische Handeln. Zwar existieren unterschiedliche Formen von Währungen, sie haben aber eine Gemeinsamkeit, die Währungen besonders krisenanfällig macht. Währungen gründen nämlich auf Vertrauen und auf die kollektive Beglaubigung darauf, dass sie als Zahlungsmittel einsetzbar sind und darüber hinaus auch noch stabil sind. Jede erdenkliche Krise ist kaum zu managen, wenn das Vertrauen fehlt.

Die Inflation kehrt zurück 

Nach der Finanzkrise im Jahre 2008/2009 führte die Austeritätspolitik zu geringen Investitionen und die Geldnachfrage war gering. Die Europäische Zentralbank (EZB) pumpte die Geldmenge auf, Zentralbankliquidität war reichlich vorhanden und die Zinsen, also der Preis des Geldes, bewegten sich um den Nullpunkt. Die Finanzmärkte koppelten sich zunehmend von der Realwirtschaft ab und die Wachstumsraten wurden auf den Wertpapier- und Immobilienmärkten erzielt. Die EZB hat gegen „die populistische Mär von der expansiven Geldpolitik“ (Rudolf Hickel) zu kämpfen. Die Flutung der Wirtschaft mit billigem Geld wird als Vorwand für die Inflation ins Feld geführt. Dabei kann die EZB „an dieser Stelle wenig ausrichten, im Gegenteil: Wie die kluge EZB-Präsidentin Christine Lagarde am Beispiel der Ölpreise deutlich macht, kann sie die Geldmenge oft nur unter massiven konjunkturellen Schäden einschränken. Doch speziell die von den Mineralölkonzernen gesetzten Ölpreise entziehen sich ihrem Einfluss.“[1]

Dabei versuchte die EZB seit der Finanzkrise 2008 /2009 mit allen Mitteln die Wirtschaft zu stabilisieren, während die Finanzpolitik keine zielführenden Gesetze auf den Weg brachte. Im Gegenteil – die Märkte wurden weit geöffnet, die Schattenbanken  expandierten und auf einmal eroberten DeFi´s, NFT`s, Bitcoins und Kryptowährungen den Geldmarkt. Dieser Hyp führte dazu, dass viele Leute aufgrund von Spekulationsgewinnen sehr reich wurden.

Kommt nach der Inflation der Krypto-Crash? 

Komplexe „Finanzprodukte“[2] zeichnen sich dadurch aus, dass nur wenige Menschen die Funktionsweise verstehen. Also vermarkteten große Investoren den Kryptosektor, brachten diesen Hyp geschickt in den Medien unter und investierten in das gewinnträchtige Kryptosystem. Die Kurse gingen durch die Decke, die Sektkorken knallten im Finanzsektor und die Wachstumsraten stiegen gewaltig an, während sich das Wirtschaftswachstum in der Realwirtschaft mit mäßigen Wachstumserfolgen zufriedengeben musste. Die auf Kryptowährung spezialisierte Journalistin, Amy Castor, stellt fest: „Die Kryptoökonomie funktioniert in weiten Teilen wie ein Schneeballsystem. Jedes Mal, wenn jemand Bitcoins verkauft und also Geld aus dem Kryptosystem rausnimmt, muss er jemanden finden, der neues Geld reinsteckt. Es gibt ja keinen Wert, wofür der Bitcoin steht, er ist keine Aktie, keine Unternehmensbeteiligung oder so etwas, es gibt keine Dividende und es wird auch nichts produziert, Es braucht also einen ständigen Zufluss von neuem Geld. Gerade gibt es aber keine Zuflüsse in die Kryptowirtschaft mehr. Zugleich scheint es so, als müssten einige „Miners“, die von ihnen geschürften Bitcoins einige Zeit zurückgehalten hatten, die jetzt abstoßen, um Kredite zu bedienen und ihre horrenden Stromrechnungen zu bezahlen. Also verlässt noch mehr Geld die Kryptosphäre.“[3]

Was tun?

 Es bleibt zu hoffen, dass die Bundesregierung bei der Inflationsbekämpfung sowohl den Kryptosektor als auch die Spekulationsgewinnler, die auch häufig in der Mineralölbranche zu finden sind, berücksichtigt. Deshalb muss die Bundesrepublik Deutschland und die Staatgemeinschaft zweierlei Dinge tun. Erstens muss verhindert werden, dass es zum Krypto-Crash kommt. Hier sind systemische Eingriffe erforderlich.

Zweitens müssen die Staaten die Macht der einzelnen kleinen Eliten, und vor allem der Monopolunternehmen, brechen, denn die Empfehlungen der neoliberalen Monetaristen sind nicht zielführend und von vorgestern. Die Monetaristen meinen, man müsse nur die Schwemme billigen Geldes stoppen und schon kommt alles wieder ins Gleichgewicht. Die Realität ist aber, dass marktbeherrschende Monopole für die heutige Preistreiberei verantwortlich sind. Also ist nun die Wettbewerbspolitik gefragt, um die Macht der marktbeherrschenden Monopole bzw. Oligopole einzudämmen. Als Sofortinstrument bietet sich hier die Sondersteuer auf Ãœbergewinne an, um die Preisaufschläge der Inflationsgewinnler abzuschöpfen. Christian Lindner wird als Finanzminister nicht müde, darauf hinzuweisen, dass im Steuerrecht die Gewinne gleich behandelt werden müssen und es deshalb keine Sondersteuer geben darf. Klingt medial sehr plausibel, läuft aber ins Leere, da die Gewinne der Ölkonzerne nicht durch irgendeine ökonomische Leistung entstehen. Die Zusatzprofite der deutschen Mineralölbranche betrugen seit Kriegsausbruch in der Ukraine im Februar 2022 ungefähr 40 Mrd. Euro, dass sind circa 1 Mrd. Euro pro Tag. Diese Gratisgewinne gehen zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger. Deshalb gilt – Monopolistische Preissetzungsmacht muss gebrochen werden.

[1] Rudolf Hickel, Reichbach mit Rabatt: Öl-Multis außer Kontrolle, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, Berlin, 2022, 7`22, S. 29/30

[2] Das Wort „Finanzprodukt“ ist irreführend. Es handelt sich hier nicht um ein physikalisches Produkt, sondern nur um ein Versprechen.

[3] Amy Castor, Der Krypto-Crash wird noch richtig hässlich werden, in: Der Freitag vom 30.Juni 2022, Nr. 26. S.16

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