„Wir haben die Coronavirus-Epidemie verursacht. Es mag mit einer Fledermaus in einer Höhle begonnen haben, aber menschliche Aktivitäten haben sie ausgelöst.“
David Quammen
In der Zeit vom 18.03.20 bis 06.04.20 habe ich fast täglich einen Blog geschrieben, um den Zusammenhang zwischen Coronakrise, Klimakatastrophe und Biodiversität darzustellen. Ich habe mich beispielsweise auf eine Untersuchung der Universität Essen, die die Korrelation zwischen Erderwärmung und Virenausbreitung behandelte, aus dem Jahre 1995 bezogen. Als diese Untersuchung veröffentlicht wurde, gab es weder Ebola noch SARS beziehungsweise Corona und die Bedrohung des Klimawandels war vielen Menschen noch nicht bewusst. Vielfach stießen meine Ausführungen auf Ablehnung und die Corona-Krise wurde nicht als anthropogen begriffen, sondern als Naturkatastrophe dargestellt. Glücklicherweise wendet sich aber das Blatt und viele Menschen merken nun, dass es diese Zusammenhänge gibt.
Drei wichtige Autoren haben mit ihren Neuerscheinungen im Sommer 2020 dafür gesorgt, dass Alexander von Humboldt („Alles hängt mit allem zusammen“) Recht behalten hat. Der Humanökologie Andreas Malm forscht an der Universität Lund in Schweden und er hat das Buch KlimaIx geschrieben. Der Epidemiologe und Biologe Rob Wallace erklärt in seinem Buch –Was COVID-19 mit der ökologischen Krise, dem Raubbau an der Natur und dem Agrobusiness zu tun hat- die Zusammenhänge. Der Wissenschaftsautor David Quammen beschreibt in seinem Buch den „Spillover – Der tierische Ursprung weltweiter Seuchen“. Alle drei Bücher sind sehr lesenswert, sie treten für den Schutz unserer Lebensgrundlage ein und bestätigen die oben genannten Beziehungen.
Virenherd Agrobusiness
Inzwischen ist diese Sichtweise auch im Mainstream angekommen und Medien berichten zunehmend über den Zusammenhang zwischen Corona-Krise und Biodiversität. Ich rieb mir die Augen als ich kürzlich im Handelsblatt lesen konnte, dass „der Erhalt der Biodiversität entscheidend [ist], um die Ausbreitung des nächsten Virus zu verhindern.“[1] Weiter schreibt Silke Kersting im Handelsblatt: „Die Wissenschaft legt vor allem eine Schlussfolgerung nahe: die Abkehr von der intensiven Landnutzung, beherzter Klimaschutz und der Erhalt von Artenvielfalt. Das mag viel Geld kosten. Aber verglichen mit den Kosten einer Pandemie sind die Kosten für die Vorbeugung deutlich geringer.“ So ist es. Ich habe mich jedenfalls gefreut, solche Erkenntnisse im konservativen und unternehmensfreundlichen Handelsblatt zu lesen.
Meine Freude wurde aber sofort wieder über den Haufen geschmissen als ich drei Seiten später las, dass die Firma Bayer Milliardenverluste mache. „Das schwache Geschäft mit Saatgut und Pflanzenschutzmitteln hat Bayer im dritten Quartal tief in die roten Zahlen gezogen. Unterm Strich fuhr der Konzern einen Verlust von 2,74 Milliarden Euro ein, wie am Dienstag bekannt wurde.“[2] Weiter ist zu lesen, dass „es sich deutlich zeigt, dass sich die um Monsanto erweiterte Sparte Crop Sciene in der Pandemie zum echten Problemfall für Bayer entwickelt. … Doch vor allem in den USA halten sich die Farmer mit dem Anbau von Mais und Soja zurück“.[3]  Im gesamten Artikel von Bert Fröndhoff wird nicht mit einem Satz erwähnt, dass Bayer Monokulturen fördert, die Biodiversität untergräbt und möglicherweise eine Mitverantwortung für den Ausbruch der Pandemie trägt. Die Milliardenverluste haben mich indes nicht geschockt, weil sie sich auf bereits angekündigte Abschreibungen beziehen.
Virenausbreitung und Biodiversität müssen zusammen gedacht werden
Wie Silke Kersting treffend feststellte, gibt es einen signifikanten Zusammenhang zwischen zunehmender Virenausbreitung und abnehmender Biodiversität. Insofern sind die Agrokonzerne mitverantwortlich für die Pandemie, vielleicht sind sie sogar die Hauptverantwortlichen. Spannend wäre es, wenn die Frage behandelt würde, ob die Milliardenverluste, durch den Steuerzahler gedeckt werden sollen. Dies ist aber nur eine hypothetische Feststellung. Natürlich wird der Großkonzern Bayer diese Verluste locker wegstecken können. Der Konzern geht davon aus, dass der Umsatz im nächsten Jahr von 43 auf 44 Milliarden Euro gesteigert werden kann und eine Ebitda-Marge von 28 Prozent erreicht wird. Bert Fröndhoff durchleuchtet sehr intensiv die ökonomische Situation des Konzerns, verschweigt aber, dass die Firma Bayer sich nicht um die Renaturierung kümmert, sondern die Lock-in-Strategie verfolgt. Diese Strategie stimmt gentechnisch Pflanzen, Pestizide und Dünger aufeinander ab, sodass sie nur in dieser Kombination miteinander funktionieren; Biodiversität sieht anders aus. Diese Strategie ist spätestens mit dem Kauf des Saatgut- und Unkrautvernichtungsmittelherstellers Monsanto klar geworden, denn das Monsanto-Saatgut ist resistent gegenüber dem Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat.
Wir benötigen ortspezifische Agrarökologie
Wie wollen wir die Biodiversität schützen? Wir benötigen keine Agrokonzerne, die ausschließlich ihre Gewinnmargen im Kopf haben, sondern einen strategischen Renaturierungsansatz, um die räumliche Expansion der industriellen Land- und Forstwirtschaft zurückzudrängen. „Durch eine große Bandbreite von unterschiedlichem Vieh, Geflügel und Nutzpflanzen können wir immunologische Brandschneisen errichten. Die natürliche Auslese dient als „Ökosystemdienstleistung“, wenn sich die Nutztiere und Pflanzen vor Ort fortpflanzen können. Dann geben sie an die nächste Generation ihre Immungenetik weiter, die bereits durch Krankheitserreger geprüft wurde.“[4]
Halbseitige Alibiartikel im Handelsblatt über den Schutz der Biodiversität helfen uns nicht weiter, wenn im Gegenzug die ökonomischen Probleme der Firma Bayer ganzseitig dargestellt werden, ohne in irgendeiner Form darauf einzugehen, dass die Firma Bayer auch für den Rückgang der Biodiversität verantwortlich ist.
[1] Silke Kersting, Pandemien, Besser vorbeugen, in Handelsblatt: vom 04.11.2020, S. 17
[2] Bert Fröndhoff, Bayer macht Milliardenverluste, in: Handelsblatt vom 04.11.2020, S. 20
[3] Bert Fröndhoff, Bayer macht Milliardenverluste, in: Handelsblatt vom 04.11.2020, S. 20
[4] Rob Wallace, Was COVID-19 mit der ökologischen Krise, dem Raubbau an der Natur und dem Agrobusiness zu tun hat, Köln, 2020, S.172